
Sie kommen doch nicht auch wegen Friedrich und Fredersdorff, will der Zernikower Pastor Reinhard Dalchow wissen. Er ist froh zu hören, dass diesmal nicht der Alte Fritz und sein Kammerdiener gefragt sind, sondern des Kammerdieners Gattin und Tochter. Deren Gemälde hängen an der Orgelbrüstung flankiert von den Porträts der Ehemänner der Frau Mama: links Hans von Labes, rechts der im uckermärkischen Gartz an der Oder geborene Michael Gabriel Fredersdorff.
Bei gutem Willen hätte auch das Bild des prominenten Schwiegersohnes, Joachim Erdmann von Arnim, Platz gefunden.
Als 1777 Caroline Elisabeth Labes, verwitwete Labes und Fredersdorff, das Erbbegräbnis in Zernikow errichten ließ, läuteten in ihrem Berliner Haus am Brandenburger Tor die Hochzeitsglocken. Der Directeur des Specales, das heißt der Intendant der Königlichen Hofoper Unter den Linden und des Französischen Schauspiels am Gendarmenmarkt, besagter Joachim Erdmann, hatte bei der Witwe um die Hand der 16-jährigen Labes-Tochter Amalie geworben und war akzeptiert worden. Der respektable Gatte war 20 Jahre älter als die Braut und hatte neben seiner angesehenen Stellung bei Hof sichere Einnahmen sowie eigenen Besitz in der Uckermark in die Waagschale zu werfen.
Joachim Erdmann von Arnim war Erbe des legendären Otto von Arnim, der das im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Gerswalde aufgebaut hat und unter anderem die Ortshaften Blankensee, Neudorf, Kienwerder und Kalkofen [seit 1831 Henkinshain] in seinen mehr als 1300 Hektar großen Waldungen anlegte. Und wohl auch versuchte den Bevölkerungsverlust persönlich auszugleichen.
Er zeugte 20 Kinder!
Als der Vater starb, wurde der Besitz erst gemeinsam bewirtschaftet und 1752 mittels Losentscheid unter den sieben Söhnen aufgeteilt. Der elfjährige Joachim Erdmann erhielt die Güter Neudorf und Kölpin, den Ackerhof Stiern, das Bauerndorf Kaakstedt sowie gut 220 Hektar Wald.
Joachim Erdmann, 1741 in Gerswalde geboren und getauft, wurde auf die Ritterakademie ins schlesische Liegnitz [Legnica]geschickt und studierte 1756/57in Frankfurt/Oder einige Semester Jura. Schon in jungen Jahren wurde er Kammerherr, Domkapitular in Brandenburg und Domdechant in Kammin und Brandenburg. Das sicherte ihm Einkünfte aus drei Ehrenämtern und versetzte ihn in die Lage 1763 das 125 Hektar große Gut Friedenfelde für 14.500 Taler zu kaufen.
Am 20. Oktober 1770 erreichte den 29-Jährigen dort die Nachricht, dass sein König ihn zum Gesandten in Kopenhagen ernannt hätte. Dort fiel der Protegé Friedrich II. 1774 in Ungnade. Als Begründung wurde sein Fehlen beim Geburtstag der Königin[mutter] herangezogen. Seine Entschuldigung, er sei krank gewesen, ließ man nicht gelten. Möglich ist, dass von Arnim ein Opfer innerpolitischer Auseinandersetzungen in Dänemark wurde. Das Land war aufgrund der Liebschaft Königin Caroline Mathilde zum Leibarzt Johann Friedrich Struensee erschüttert, der mit Generalvollmacht regierte und versuchte innerhalb von zwei Jahren Dänemark mittels mehr als 2000 Dekreten die Aufklärung zu bringen. Struensee wurde 1772 auf Veranlassung der Königinmutter gestürzt und hingerichtet, Caroline Mathilde vom König geschieden und nach Celle verbannt und Dänemark zurück in den Absolutismus geführt. Vielleicht stand Arnim Struensee oder seinen Ideen zu nahe?
Friedrich II. berief Arnim aus Kopenhagen ab und versetzte ihn an den Dresdener Hof von wo er ihn aber bereits ein Jahr später zurückholte. In einer Kabinettsorder vom 19. Januar 1776 teilte er ihm mit, dass er ihm eine neue Karriere eröffne als Directeurs des Spectacles, das heißt Intendant der Königlichen Hofoper, die im 1741 gebauten Opernhaus Unter den Linden ihr Domizil hatte, sowie des 1776 eröffneten Französischen Schauspielhauses am Gendarmenmarkt.
Das äußerst ehrenvolle Hofamt war allerdings ein sehr dornenvolles. Zwar hatte der König für die Oper ein äußerst prunkvolles Haus bauen lassen und verlangte auch keinen Eintritt, zum anderen bestimmte Friedrich der Große aber Rollenbesetzungen und Programme und nahm sogar Einfluss auf Köpfe und Litzen an Kostümen.Es sind sehr viele Briefe Friedrich II. bekannt, die die schwere Stellung des „Directeurs des Spectacles“ deutlich machen. Als Joachim Erdmann sich einmal für seine Primadonna Elisabeth Mara einsetzte, kanzelte ihn der König ab: „Ihr hingegen müsset Euch nicht einbilden, daß Ihr mein Geheymer Rath seyd, dazu habe ich Euch nicht angenommen, sondern Ihr habt Euch besser zu befleissigen Meinen Ordres Parition zu leisten, wenn Ihr wollt, daß ich ferner sey Euer gnädiger König.“
Neben der Oper trug Arnim auch Verantwortung für das französische Schauspielhaus, das Friedrich zwar in Leben gerufen hatte, dass ihm aber schnell über wurde. Schon im Jahr der Einweihung 1776 schrieb er an Arnim: „Die Truppe ist wertlos.“ Bei Ausbruch des Bayrischen Erbfolgekrieges wies er Joachim Erdmann an, das Haus zu schließen.
Zur seiner Heirat 1777 bedurfte Arnim der königlichen Erlaubnis. Er bat Friedrich, seiner Ehe mit der Baronesse von Labes zuzustimmen, antwortete der König: „Eine Baronesse von Labes kenne ich nicht, aber die Jungfer Labes könnt Ihr heirathen.“
Dass Joachim Erdmanns Bild nicht in der Zernikower Dorfkirche hängt, hat, dürfte etwas mit dem frühen Tod seiner jungen Frau zu tun. Nach dem sie 1779 den ersten Sohn Carl Otto Ludwig in Berlin geboren hatte, brachte sie 1781, ebenfalls in Berlin, mit dem späteren Dichter Achim von Arnim das zweite Kind zur Welt. Dessen Geburt überlebte sie aber nur drei Wochen.
Joachim Erdmann, der mit zwei Kleinkindern nicht anzufangen wusste, verkaufte das Erziehungsrecht für 1000 Taler an seine Schwiegermutter. Arnim selbst zog sich nach Friedenfelde zurück, wo er mit seiner Frau die meiste Zeit verbracht und das er zu seinem vornehmen Rokoko-Herrensitz verwandelt hatte. Es gab einen prunkvollen Garten mit sechs Kanonen und neun Standbildern römischer Kaiser. Eine Sonnenuhr zeigte die Stunden an. In den 20 Zimmern des Herrenhauses gab es u.a. eine „Fuß-Tapete“ und Gemälde von Hofmaler Antoine Pesne und einen Bettschirm von Bartolomeo Verona, der die Dekorationen im Marmorpalais in Potsdam geschaffen hat. Nur selten verließ Arnim als Deputierter der uckermärkischen Ritterschaft Friedenfelde um seinen Amtsgeschäften in Berlin nachzugehen, wo er seit Jahren in der Spandauer Straße 59 im sogenannten Landschaftsschaus eine Wohnung besaß in der er 1804 dann auch verstorben ist.
Joachim Erdmann fand seine letzte Ruhestätte in der alten Dorfkirche von Kaakstedt, deren Patron er war und wo auch seine Mutter, ein Bruder und drei unverheiratete Schwestern ruhen.

