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One-Hit-Wonder

Schloss Arendsee in der Uckermark wurde von Albert Graf von Schlippenbach gebaut.
Schloss Arendsee in der Uckermark wurde von Albert Graf von Schlippenbach gebaut.

 

Ein Heller und ein Batzen,
Die waren beide mein, ja mein
Der Heller ward zu Wasser,
Der Batzen zu Wein, ja Wein,
Heidi, heido, heida
Heidi, heido, heido hahaha

 

Die Wirtsleut und die Mädel,
Die rufen beid': "Oh weh! Oh weh!",
Die Wirtsleut, wenn ich komme,
Die Mädel, wenn ich geh, ja geh.

 

Mein Strümpf die sind zerrissen,
Mein Stiefel sind entzwei
Und draußen auf der Heide,
Da singt der Vogel frei

 

Und gäb's kein Landstraß nirgends,
Da säß ich still zu Haus
Und gäb's kein Loch im Fasse,
Da tränk ich gar nicht draus!

 

Das war 'ne wahre Freude,
Als mich der Herrgott schuf
Einen Kerl wie Samt und Seide,
Nur schade, daß er suff

 


Gräflicher Songwriter

Mit einem Lied in aller Munde

Der vierjährige Bau des neogotischen Herrenhauses ab 1839 in Arendsee hat mehr als einen Heller und auch mehr als einen Batzen gekostet. Zu viele für den Bauherrn Albert Ernst Ludwig Carl Graf von Schlippenbach. Indiz dafür sind die vom Geheimen Oberhofbaurat Friedrich August Stüler gemachten Pläne. Nach Familienüberlieferung sollen die Entwürfe wesentlich prachtvoller gewesen sein. Der frisch verheiratete Graf, der seiner jungen Gattin, Emma Gräfin Scheel-Plessen aus Sierhagen in Holstein, ein standesgemäßes Zuhause bieten wollte,   ließ aber nur die Hälfte der Pläne umsetzen. Trotzdem kann sich dass, was entstand, noch heute sehen lassen. Zumal das Schloss vom neuen Besitzer saniert wurde und seinen ursprünglichen Turm zurück erhielt, der nach 1945 abgetragen wurde, ein Kompromiss, um das restliche Schloss vor einer ideologisch motivierten Zerstörung zu retten.

 

Albert von Schlippenbach wurde am 26. Dezember 1800 als vierter Sohn und sechstes Kind von insgesamt 18 Geschwistern im Prenzlauer Stadthaus der Familie geboren. Er wuchs auf dem damaligen Vorwerk Arendsee auf, besuchte das Werdersche Gymnasium in Berlin und begann 19-jährig ein Jurastudium in Göttingen, das er später in Berlin fortsetzte.  1830 übernahm er nach einem Losentscheid die väterlichen Güter, einen Besitz von fast 7000 Hektar, auf dem 2450 Menschen lebten. Schlippenbach galt als lockerer Student. Als er beispielsweise während eines akademischen Festaktes im Karzer saß, pochte er auf sein adeliges Vorrecht  zu solchen Feierlichkeiten von zwei Professoren aus seiner Wohnung abgeholt zu werden. Dem Lehrkörper blieb nichts anderes übrig, als zwei Magister zu schicken, die ihn aus dem Gefängnis holten und später wieder dahin eskortierten.

 

Trotz des Ausspielens des adeligen Vorranges, konnte Schlippenbach als Romantiker einen volkstümlichen Ton anschlagen. Die von ihm während der eigenen Studienzeit geschriebenen Texte, darunter „Ein Heller und ein Batzen“ oder „Nun leb‘ wohl, du kleine Gasse“ – als seine beiden bekanntesten und noch heute von vielen Chören gesungen – sprechen dafür.

 

Den Geist der Romantik verlor der uckermärkische Graf nie. Sein Schloss mit Türmchen, Zinnen und dem hohen viereckigen Turm, errichtet auf einer alten Burgstelle, auf einem mit Buchenwald bewachsenen Hügel am Ufer eines kleinen Sees, 1848 übrigens auf einen Wert von 35 000 Talers taxiert, widerspiegelt den Traum mittelalterlichen englischen Ritterlebens wie seinen Hang zur gestalteten Natur. In seiner Berliner Studienzeit hatte er sich mit den Botaniker und romantischen Dichter Adalbert von Chamisso angefreundet, der mehrfach zu Besuch in Arendsee weilte und die Zeit für Exkursionen nutzte. Ein weiterer Gast war der Dessauer Gymnasiallehrer, Bibliothekar und ebenfalls romantische Dichter Friedrich Wilhelm Hosäus, der 1866 übrigens einen Band „Arendseeer Lieder“ veröffentlichte. Und auch ein dritter einflussreicher Besucher sei erwähnt: Alexis Lepère aus Montreuil  bei Paris.  Der von ihm engagierte Franzose, mit dem er 1857 auf der allgemeinen deutschen Obst-, Wein- und Gemüseausstellung in Gotha war und der 1861 wieder nach Deutschland kam und mehrere Wochen auf dem mecklenburgischen Schloss Basedow des Grafen Hahn verbrachte, bevor er Graf Schlippenbach in der Uckermark für mehrere Wochen, besuchte, galt in Europa als der Experte für Pfirsichzucht und Spaliergehölze. Die Spuren seines Wirkens im lassen sich heute nur noch im Gestrüpp finden, Reste von Fundamenten eigens errichteten Mauern im Bereich der früheren Gärtnerei, die der Obstkultur dienten.

 

Bekanntschaft machte Graf Schlippenbach auch mit Heinrich Heine, den er während der Studienzeit in Göttingen mehrfach im Gasthaus traf, in dem er mit seinen adligen Kommilitonen speiste. Nur eine engere Beziehung entwickelte sich nicht. Hätte er damals gewusst, welche hohe Begabung in dem „uns nur unangenehmen, unsauberen Jungen“ steckte, hätte er sich ihm genähert, schrieb der Graf später, sich daran erinnernd, dass Heine das Rauchen der Blaublüter als „Schweinerei“ empfand.

 

Neben der romantischen Ader und einer ökonomisch auf fortschrittlichere Methoden setzenden Geisteshaltung wurde Albert von Schlippenbach durch einen starken christlichen Glauben geprägt. Keine Rücksicht auf Witterungsverhältnisse konnte ihn bewegen, von seiner strengen Auffassung der Sonntagsheiligung abzugehen. Er ließ sogar aus Bedenken gegen den Missbrauch auf seinen Gütern sämtliche Brennereien eingehen.

 

Vernachlässigt wurde dabei allerdings nicht das Dichten. Er tat dies daheim Arendsee vor allem für den Hausgebrauch. Nur gelegentlich trug er im Familien- und Freundeskreis vor. Aber im hohen Alter von 83 Jahren ließ er sich überreden, seine Gedichte vom Sohn seines Rentmeisters, Dr. A. Mosbeck, zu veröffentlichen.  Doch Schlippenbachs Stil war aus der Mode gekommen. Die Spätromantik war vorbei und die Poesie des Grafen fand kein literarisches Echo mehr, obwohl noch manches Lied, so „Die Jungfrau am Arendsee“, gerade wegen der altertümlichen Volksliedtradition vertont und in vielen Gesangsvereinen angestimmt wurde.

 

An seinem 86. Geburtstag, dem 26. Dezember 1886, am zweiten Weihnachtsfeiertag, starb Albert Graf von Schlippenbach. Er wurde im benachbarten Schönermark beigesetzt.

 

Nicht verwechselt werden sollte der Arendseeer Volkslieddichter übrigens mit einem gleichnamigen und gleichsam schriftstellernden Neffen, der 1859 geboren wurde und 1887 seinen Abschied aus dem diplomatischen Dienst nahm. Von dem finden sich dichterische Werke wie die 1901 veröffentlichte Erzählung „Die Schweden in Nürnberg“ oder die 1904 erschienene Novellensammlung „Feuerschein“ noch mitunter in guten Antiquariaten.