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Gutshäuser aus dem Baukasten

Nachdem Ludolf von Maltzahn 1895 sein Gutshaus um einen zweigeschossigen Anbau aus rotem Backstein erweitern ließ, beauftragte er wenig später Paul Korff mit dem Umbau des Teil des Hauses.
Nachdem Ludolf von Maltzahn 1895 sein Gutshaus um einen zweigeschossigen Anbau aus rotem Backstein erweitern ließ, beauftragte er wenig später Paul Korff mit dem Umbau des Teil des Hauses.

Das Hotel „Goldene Kugel“, das 1905 nach einem Brand am Neubrandenburger Markt in der gegenüber von Rathaus und großherzoglichem Palais errichtet wurde und dem Kriegsbrand 1945 wieder zum Opfer fiel, trug die Handschrift von Paul Korff. Der 1875 in Laage geborene Architekt entfaltete zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine umfangreiche Tätigkeit in Mecklenburg, Pommern, Brandenburg, Ostpreußen, dem Baltikum, in Schlesien und dem Rheinland. Seine Spur der Steine widerspiegelt sich im Neubau von Schlössern wie Hasenwinkel in Nordwestmecklenburg oder Wendorf bei Parchim, die heute als Hotels genutzt werden, im Um- und Ausbau von Guts- und Herrenhäusern wie in Peckatel zwischen Neustrelitz und Penzlin oder Lelkendorf vor den Toren Teterows. Dort entstand nach seinen Entwürfen nicht nur die Ausflugsgaststätte Wendenkrug, sondern auch das 20 Meter hohe Ehrenmal für die 300 Gefallenen des Ersten Weltkrieges den Heidbergen. Für Malchin und Tessin lieferte der Sohn eines Bauunternehmers die Rathäuser, für Güstrow die katholische Kirche Mariä Himmelfahrt, und in der Uckermark baute er für den Grafen von Arnim in Boitzenburg die Beamtenhäuser und für dessen Vetter in Gerswalde den Marstall. Bis hin zum Katen und Rinderstall oder Getreidespeicher reichten die Bauprojekte die Paul Korff ab 1899 erst mit seinem Schwager Alfred Krause und ab 1908 in seinem Landbaubüro in Angriff nahm. Die Vielzahl der Aufträge konnte er, berücksichtigt man die technischen Voraussetzungen wie eine begrenzte Anzahl von Telefonen, langen Fahrzeiten mit dem Zug oder dem Auto, viele unbefestigte Straßen, nur bewältigen, weil er sich auf einen großen Mitarbeiterstab stützten konnte. Der Chef gab nach Baustellenterminen neue Skizzen und Anweisungen per Post ins Büro, wo angestellte Architekten und technische Zeichner sie umsetzten. Zu den teilweise mehr als zwei Dutzend Angestellten gehörte von 1915 bis 1930 auch der Neubrandenburger Architekt Jorg Brügge, nach dem in der Viertorestadt sogar eine Straße benannt ist.

 

Die Arbeitsteilung war aber nur ein Grund für den Erfolg des Baumeisters, der auch Möbel und Lampen entwarf und bei seinen Arbeiten auch das Neueste vom Neuen in Sachen Haustechnik berücksichtigte: Kühlsysteme, zentrale Staubsaugeranlagen, Handtuchwärmer. Der über die engen Grenzen seiner mecklenburgischen Heimat hinaus gefragte Architekt, fühlte sich dem Fortschritt verpflichtet, was sich auch im Einsatz von modernen Baustoffen wie Stahlbeton im Wohnbau ausdrückte. Stilistisch knüpfte Korff an den Spätbarock des 18. Jahrhunderts an. Seine vor allem die vor dem Ersten Weltkrieg errichteten Bauten besitzen einen hohen Wiedererkennungswert. Der resultiert nicht zuletzt aus einem  „Baukastensystem“, dessen sich er sich vor allem bei seinen Gutshäusern bediente (Betonung der Mittelachsen durch Risalite oder Zwerchhäuser, die von Dreiecks-, Segment oder Schweifgiebel bekrönt werden, vorgelagerte Freitreppen, Seitenrisalite, gegliederte Putzfassaden usw.). Trotz seines „Corporate Designs“ schaffte er es, dass kein Haus dem anderen glich. Paul Korff wurde so zu dem Modearchitekten [nicht nur] der mecklenburgischen Gutsbesitzer.

 

Als solcher kann er in Hinblick auf die Auftragsbeschaffung durchaus auch Marketinggenie bezeichnet werden. Er empfahl sich nicht nur früheren Kunden seines Vaters als Architekt oder verschickte umfangreiche Referenzlisten. Er  wurde auch Mitglied verschiedenster Vereine (u.a. Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Deutsche Gartenstadtgesellschaft, Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft, Heimatbund Mecklenburg Bund Heimatschutz), wo er mit potenziellen Auftraggebern ins Gespräch kam, und kurbelte selbst die wirksame Mundpropaganda bei zufriedene an Kunden an: „Hochgeehrter Herr Haicke!, „ schrieb er 1915 dem Verwalter von Boitzenburg, „freundlichst möchte ich Sie heute um die Liebenswürdigkeit bitten, mich doch gelegentlich zu nachrichtigen, falls Sie in Ihrem sicher großen Bekanntenkreis hören, daß irgendwo in dortiger Gegend Bauten ausgeführt werden sollen.“ Und so liest sich sein Werkverzeichnis wie ein Who‘s who der gehobenen Gesellschaft: Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin, Henry Barens Sloman, Fürstlich Hatzfeldsche Rentei, Prinz Heinrich XVIII. Reuss, Graf von Bismarck-Bohlen, von Maltzahn, von Oertzen, von Schwerin, von Dewitz, von Bassewitz, von Winterfeld…

 

Paul Korff, der die mecklenburgische Architekturgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts wesentlich beeinflusste, war, nicht zuletzt weil Gutshäuser in der DDR Relikte einer überlebten Gesellschaft waren, in Vergessenheit geraten. Und wurde erst nach der Wende wieder entdeckt. Dass er nun einem breiten Publikum mit seinem Leben und Werk vorgestellt wird, ist Autoren wie Ulrike Volkhardt, Elke Onnen, Alexander Schacht oder Christel Sievert zu verdanken, die im Berliner Lukas-Verlag gerade die Monographie „Paul Korff Ein Architektenleben“ (ISBN978-3-86732-263-8) vorgelegt haben.

 

Im uckermärkischen Bitzenburg baute Paul Korff Beamtenhäuschen für den Grafen von Arnim.
Im uckermärkischen Bitzenburg baute Paul Korff Beamtenhäuschen für den Grafen von Arnim.
Der Marstall für die Familie von Arnim in Gerswalde fiundet sich ebenfalls im Werkverzeichnis von Paul Korff.
Der Marstall für die Familie von Arnim in Gerswalde fiundet sich ebenfalls im Werkverzeichnis von Paul Korff.