
An seinem Todestag, dem 18. Januar, werden keine Blumen der Erinnerung auf dem Grab an der Hohenzieritzer Straße liegen. Und wollte jemand welche niederlegen, die letzte Ruhestätte wäre schwer zu finden. Es gibt keinen Grabstein.
Keine Straße in Neustrelitz trägt seinen Namen, keine seiner drei Wohnadressen besitzt eine Gedenktafel. Und seine Musik wird am Ort seines Wirkens nicht gespielt.
Professor Alban Förster ist vergessen. Schon sein Begräbnis fiel 1916 bescheiden aus. Dabei spielte der 1849 im vogtländischen Reichenbach geborene Musiker und Komponist dreieinhalb Jahrzehnte die erste Geige am Hof der großherzoglichen Residenzstadt. 1871 fand er für neun Jahre eine Anstellung als 1. Violinist der Hofkapelle. Nach einem gut einjährigen Engagement als Lehrer am Dresdner Konservatorium, Dirigent und Liedermeister der Dresdner Liedertafel, kehrte er 1882 für 26 Jahre als Hofkapellmeister nach Neustrelitz zurück. Und sicher wäre Alban Förster 1908 nicht „freiwillig in Pension“ gegangen, wie es in seiner Personalakte heißt, hätte nicht Großherzog Adolph Friedrich V. eine Vorliebe für die leichte Muse und besonders deren reizende Vertreterin Dora Urbas gezeigt. Der Monarch wollte lieber seine Geliebte auf der Bühne sehen. Zu Beginn der Saison 1908/09 löste der potente Potentat das Musiktheater auf. Zwar kamen ab 1910 wieder einige Opern auf die Bühne und fanden ab 1912 auch wieder Konzerte statt, doch waren die zwölf gespielten Opern durchweg Wiederaufnahmen älterer Inszenierungen und bei den Konzerten hörte man mehr gastierende Solisten.
Förster erfuhr noch von den Plänen des 1914 auf den Thron gekommenen Großherzogs Adolph Friedrich VI. in Neustrelitz ein neues Theater zu bauen und eine Musikakademie zu gründen. Doch die Schließung des Hoftheaters am 8. Februar 1917 und das bald darauf erfolgte Erliegen des öffentlichen Musiklebens musste er nicht mehr erleben. Er schloss zwei Jahre vor dem Selbstmord des jungen Fürsten und der folgenden Novemberrevolution für immer die Augen.
Alban Förster ist, nachdem ihn seine Heimatstadt Reichenbach bereits 2009 wiederentdeckte und mit einer Festveranstaltung feierte, auch am Ort seines Wirkens in Mecklenburg eine Wiederentdeckung wert. Der Voigtländer in Neustrelitz war nicht nur der einzige Hofkapellmeister mit einem Professorentitel in Mecklenburg-Strelitz. Er gehörte 1876 als Geiger auch zu den acht Neustrelitzer Hofmusikern, die bei den ersten Bayreuther Festspielen mitwirkten und dort den kompletten „Ring der Nibelungen“ aufführten. Von 1882 bis 1908 war er Leiter und Dirigent der 1840 gegründeten und noch heute bestehenden Singakademie Neustrelitz. Vor allem aber hinterließ er einen bemerkenswerten kompositorischen Nachlass. Dr. Rudolf Rohrmaier, Urologe, sächsischer Bürgerpreisträger und musikbegeisterter Laie spürte fünf Jahre dem Leben und Werk des als Spätromantikers eingestuften Komponisten nach und fand heraus, dass Alban Förster 514 Sonatinen und Stücke für Klavier, 159 Lieder, 49 Kammermusiken, 41 Orchesterwerke, 32 Chöre, zwei Opern, ein Singspiel und eine Sinfonie geschaffen hat. In einer Studie zur Reichenbacher Musikgeschichte stellt der Sanitätsrat Leben und Werk des Neustrelitzer Hofkapellmeisters, der einen Großteil seiner fast 800 Kompositionen in 53 Verlagen hat drucken lassen, sehr detailreich vor. Notenmaterial ist mithin heute relativ leicht zu finden.
Vielleicht böte Förster die Chance für eine vierte CD der Neubrandenburger Philharmonie mit Mecklenburger Hofmusik. Auf drei Alben nahm sie sich ja bereits des Schweriner Hofkomponisten Johann Wilhelm Hertel, des Hofkapellmeisters und Komponisten Antonio Rosetti sowie des „Kammerkompositeurs“ und Geigers Friedrich Ludwig Benda an. Jetzt könnte sie auch einen Neustrelitzer Kapellmeister und Komponisten ausgraben und einen Akzent in den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern setzen. Dass Förster würdig wäre, mögen zwei Einschätzungen bestätigen. Der Komponist und Musikschriftsteller Robert Musiol schrieb 1879 über „Zwei Tanzidyllen für Pianoforte“, dass „beide Stück nicht bloß einem Augenblicksbedürfnis genügen, sondern auch einen nachhaltigeren Eindruck machen […]. Wer echte, wirklich reizende Salonwalzer spielen will, der nehme dieses Heft zur Hand; diese Bekanntschaft wird ihn nicht gereuen.“ Und die „Deutsche Musikzeitung“ urteilte ein Jahr zuvor, dass Förster sich „nicht ohne Glück und Berechtigung in die Reihe der Liederkomponisten“ gestellt habe, es allerdings schwer sei, in dieser Armee zu avancieren bei Generalfeldmarschällen wie Franz Schubert, Felix Mendelssohn, Robert Schumann oder Franz Liszt. Für die Qualität der Lieder mögen aber auch Autoren wie Franz Brentano, eine Neffe des berühmten Clemens Brentano, oder der (Alt-)Strelitzer Professor Lexikograf, Sprachforscher, Übersetzer und Dichter Daniel Sanders stehen, deren Verse er vertonte.
Auch international hat Förster Spuren hinterlassen, zumindest kleine auf dem Balkan. Anlässlich der Hochzeit der Mecklenburg-Strelitzer Prinzessin Jutta mit dem Erbprinzen Danilo von Montenegro 1899 komponierte er einen als Danilo-Marsch in die Musikgeschichte eingegangenen Festmarsch. Außerdem richtete er die vom montenegrinischen Fürstensohn Mirko geschriebene Nationalhymne „Auf unser schönes Montenegro“ für Orchester ein und erhielt dafür das Ritterkreuz vom Danilo-Orden.

