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Die Hand am Zarenthron

Russlands Regentin Anna Leopoldowna, in Rostock geborene Herzogin Zu Mecklenburg
Russlands Regentin Anna Leopoldowna, in Rostock geborene Herzogin Zu Mecklenburg

Geht es um Russlands Thron, kommt die Rede sofort auf Katharina die Große. Aus Anhalt-Zerbst kommend, einem Minifürstentum, dessen Größe und Einwohnerzahl das Internet nicht kennt, schrieb sie Weltgeschichte. Den Stift in der Hand, im Zarenreich selbiges zu tun, hatten auch Mecklenburger. Der östlich von Güstrow in Dalwitz geborene Friedrich Henning von Bassewitz (1680–1749) vermittelte 1725 die Hochzeit des Herzogs von Holstein-Gottorf mit Anna Petrowna, der ältesten Tochter von Peter dem Großen. Bassewitz wurde nach Peters Tod Berater von Zarin Katarina I. und Saufkumpan ihres Favoriten, des Großfürsten Menschikow. Er erhielt in Estland riesige Güter, musste aber schließlich aus Russland fliehen und verbrachte seine letzten Lebensjahre im mecklenburgischen Prebberede, fünf Kilometer entfernt von seinem Geburtsort. Für seine Dienste im Zarenhaus wurde ihm der Grafentitel verliehen, der später vom Deutschen Kaiser als Reichsgrafen-Titel anerkannt wurde.

Nachdem die Kuppelei eines Mecklenburgers zur Gründung der der Linie Romanow-Holstein-Gottorf geführt hatte, gelangte 1740 eine gebürtige Rostockerin als Regentin an die Macht. Anna Leopoldowna, geborene Elisabeth Katharina Christine Herzogin zu Mecklenburg (-Schwerin). Doch statt für ihren 1740 geborenen Sohn Iwan, der im zarten Alter von zwei Monaten inthronisiert wurde, zu regieren, vergnügte sich die Tochter des Schweriner Herzogs Karl Ludwig lieber mit ihrem Geliebten. Was nicht lange gut ging. Elisabeth Petrowna, jüngste Tochter dem Peter dem Großen, stieß ihre Nichte in die Verbannung, entthronte deren gerade ein Jahr alten Sohn und riss die Macht für gut 20 Jahre an sich. Als sich 1764 Katharina, die ursprünglich Zerbster Prinzessin, an die Macht putschte, wurde Iwan VI. – der frühere Kinderzar – ermordet.

Die Erinnerung an ihn wurde ausgelöscht. Der Zar mit Mecklenburger Wurzeln ist der einzige russische Zar, dessen Begräbnisort unbekannt ist.

1716 hatte der eine lange Zeit auf der Festung Dömitz Herzog Karl Ludwig in Danzig die Mutter der Oma späteren Zaren Iwan VI. geheiratet. Großfürstin Katharina Iwanownawar eine Tochter Iwan V. Sie verließ 1722 ihren streitsüchtigen und brutalen Mecklenburger Gatten und floh in die Heimat.

 

Knapp 130 Jahre später heiratete Herzog Georg , jüngster Sohn des Mecklenburg-Strelitzer Großherzogs eine russische Großfürstin. Katharina Michailowna Romanowa, Enkelin des Zaren Paul I. und Nichte der Zaren Alexander I. und Nikolaus I., wurde die einzige Erbin eines riesigen Vermögens. Mit ihr begründete er die bis zur Oktoberrevolution sagenhaft reiche russische Linie des Hauses Mecklenburg-Strelitz. In Mecklenburg wurde ihnen und ihrer Familie das Schloss Remplin bei Malchin ein Zuhause. 1940 brannte es unter mysteriösen Umständen, der NSDAP-Gauleiter soll seine Finger im Spiel gehabt haben, ab. Auf dem Rempliner Friedhof erinnern noch zwei Gräber an die die in Russland geborenen Mecklenburger Herzöge. Deren 1876 in St. Petersburg verstorbener Vater wurde übrigens nach Mirow überführt und der dortigen Schlossinsel in der Fürstengruft der Mecklenburg-Strelitzer beigesetzt.

 

Ähnlich gute Beziehungen nach Russland hatten auch die Schweriner Herzöge im 19. Jahrhundert. 1879 hatte Erbgroßherzog Friederich Franz III. Anastasia Michailowna Romanowa, Enkelin des Zaren Nikolaus I., geheiratet. 1884 gab er, inzwischen Großherzog, den Auftrag, in der Rostocker Heide ein Jagdschloss zu errichten. Die Grundsteinlegung erfolgte am 1. Mai 1885 durch den Großfürsten Michail Alexandrowitsch Romanow, Bruder des letzten Zaren und Cousin der Großherzogin. Am 25. August 1887 wurde Einweihung gefeiert. Stilistisch ist die Sommerresidenz ein Mix aus englischem Cottage und russischen Bojarenhäusern und damit einzigartig in Mecklenburg-Vorpommern.

 

Nach dem vom Schweriner Hof als tragischen Unfall deklarierten Selbstmord Großherzogs Friedrich Franz III. wurde Gelbensande offizieller Witwensitz von Anastasia, die fünf Jahre später im Alter von 42 Jahren noch einmal Mutter wurde. Sohn Alexis Louis de Wenden war ein Kind ihres russischen Privatsekretärs Wladimir Alexandrowitsch Paltow.

 Als die von ihren Untertanen ungeliebte Großherzoginwitwe Anastasia 1922 im französischen Èze, starb fand sie ihre letzte Ruhestätte an der Seite ihres Mannes in Ludwigslust. Beider Sarkophage stehen im Helenen-Paulownen-Mausoleum des dortigen Schlossparkes.

 

Die russischstämmige Erbprinzessin, der diese Grablege ihren Namen verdankt, hatten die Mecklenburger in ihr Herz geschlossen. Mit nur 14 Jahren heiratete die zweite Tochter des Zaren Paul I. 1799 den Schweriner Erbprinzen Friedrich Ludwig zu Mecklenburg. Bis zu ihrem frühen Tod 1803 gebar sie ihm zwei Kinder, das erste bereits neun Monate nach der Hochzeit. Neben dem Mausoleum erinnert ein Denkmal im Park des Ludwigsluster Schlosses[H14] an die zarte russische Zarentochter. Darüber ist auch die dort errichtete katholische Kirche St. Helena/St. Andreas, ebenfalls eine Reminiszenz an die innig geliebte Frau. Den Bau ihres Mausoleums ließ sich der Witwer die damals ungeheure Summe von 30.000 Talern kosten. Nach neun Stufen führen hinauf zu der von vier Säulen gehaltenen Vorhalle, auf der in goldenen Lettern HELENEN PAULOWNEN geschrieben steht. Imposant ist der Innenraum, eine kleine Grabkapelle, in dessen Mitte zwei Särge aus Marmor stehen. In einem fand Helena ihre letzte Ruhe, der andere wurde vorsorglich für ihren Ehemann Friedrich Ludwig reserviert, der 18 Jahre später, im Jahr 1821 dort beigesetzt wurde.