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Du kannst so schön hässlich sein

Schön, schön hässlich? Spannend auf jeden Fall, wie die Aufnahme des Fotografen Günter Knop auf Facebook zeigt.
Schön, schön hässlich? Spannend auf jeden Fall, wie die Aufnahme des Fotografen Günter Knop auf Facebook zeigt.

"Guten Morgen Neubrandenburg. Du kannst so schön hässlich sein", möchte ich leicht geändert Liedzeilen eines Songs von Peter Fox  zitieren und damit meiner Heimatstadt zum Geburtstag gratulieren. Die Singleauskopplung drängt sich geradezu auf. Neubrandenburg kann so schön hässlich sein. Wenn ich morgens die Neubradenburger Zeitung lese habe ich immer das Gefühl, in der Haupstadt des Verbrechens zu leben. 

Fox singt über Berlin.  Und das hat wiederum was mit Neubrandenburg zu tun. Dort, genau gesagt "zu Spandau" beauftragte Markgraf Johann I. von Brandenburg am 4. Januar 1248 - nicht den hier als Stadtgründer gefeierten Ritter Herbord von Raven, sondern "unsern getreuen Herbord" - ob er ein Ritter war steht in den Sternen - "unsere Stadt Neubrandenburg" zu erbauen.

772 Jahre wird sie heute alt. In drei Jahren steht der nächste besondere Jahrestag ins Haus. Das ist ein guter Grund zu feiern. Ich hoffe die Neubrandenburger wollen. Manchmal hege ich Zweifel an ihrer Einstellung zu bemerkenswerten Jubiläen. Es ist gerade einen guten Monat her, am 1. Advent, da hätte man zum Beispiel an den 125. Jahrestag der Wiedereinweihung der Johannes-Kirche erinnern können. 1894 endete damit eine mehrere Jahre dauernde Restaurierung des Gotteshauses, der wir das neogotische Erscheinunsbild verdanken, das wir heute kennen und lieben. Doch  weder bei der Stadt, noch bei der Kirchgemeinde sah man darin einen Grund zum Erinnern oder gar zum Feiern. Hätte das nicht gut in die Weihnachtszeit gepasst? Wahrscheinlich hat man gar nicht gewusst, dass es ein solches Jubiläum gab.

Im Sommer hätte man ebenso gut an 175 Jahre Badehaus erinnern können, zum Beispiel im August, als das Laser-Licht-Spektakel "Fontäne in Flammen" über die Bühne am Badehaus ging.

Ist unsere Vergangeneit in der Gegenwart nichts mehr wert? Wer die Zukunft gestalten will, sollte den Blick zurück nie vergessen. Dadurch kann man aus Fehlern lernen.

Viele Neubrandenburger finden das neue Eisenbahnertor, siehe Foto, schön hässlich. Mehr hässlich als schön, eigentlich nur hässlich. Ich finde es - das ist mein persönliches Empfinden - schön. Aber über Geschmack lässt sich streiten, wie die Diskussion im Vorfeld der Einweihung und danach auf Facebook zeigt. Es war töricht, eine Torheit, nicht ausführlich darüber vorher diskutiert zu haben. Stadtvertretung, Stadtverwaltung hätten mit den in die Offensive gehen und die Diskussion suchen müssen. Informiert wurde, aber eher auf Sparflamme. Und die Medien haben nicht ins Horn geblasen, sondern nur Pikoloflöte gespielt.

Gut, das Tor seht jetzt.

Daran dürfte so schnell nicht zu ändern sein. Es sei denn...

Vielleicht aber wäre es ratsam, bei einem anderen Thema mehr Leute ins Boot zu holen. Stichwort Hotelneubau am Eisenbahnertor. Was ist im Umfeld der Gedenkstätte für die von Neubrandenburgern verbrannte jüdische Synagoge angemessen? Welche architektonische Lösung wäre passend? Wie groß darf der Baukörper sein? Wie hoch? Wie breit? Wie lang? Sollte man dort überhaupt ein Hotel bauen?

Ich bin mir sicher, dass der Dialog mit den Neubrandenburgern nicht leicht wird. Menschen sind bequem. Sich einzubringen kostet Zeit und Nerven. Wer will die opfern? Und warum sollte man Zeit investieren? Es ist einfacher hinterher lauthals zu meckern.

Nur wer sich einbringt in eine Diskussion vorab, sollte das auch im Nachgang auch tun dürfen.

Zur 775 Jahr-Feier Neubrandenburgs könnte (wird sicher) der ausgegrabene Friedhofsplatz gegenüber dem Regionalmuseum, direkt am Eisenbahnertor, bebaut sein. Läuft es, wie (noch) geplant, schlafen dann Touristen im neuen Hotel. Wie es aussehen wird?

Kann das Museum nicht seine 2019 geführte Architekturdiskussion nicht weiter führen und Vertreter des Bauherren zu einer öffentlichen Gesprächsrunde in die oberste Ausstellunsgetage seines Hauses einladen?

Und vielleicht können Touristen, die in drei Jahren in einem neuen Innenstadthotel schlafen, dann auch in einer neuen Stadtchronik lesen.  Die letzte stammt immerhin aus dem Jahr 1875. Und seitdem ist zum einen die Zeit in der Viertorestadt nicht stehen geblieben und viel Wasser aus dem Tollensesee verdunstet.