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Der letzte Ritter der Uckermark

Ritterturniere haben bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Sie ziehen Jahr für Jahr Tausende Besucher in ihren Bann.
Ritterturniere haben bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Sie ziehen Jahr für Jahr Tausende Besucher in ihren Bann.

1586 saß Curt von Arnim auf Boitzenburg noch elf Monate vor seinem Tod im Sattel und lebte dabei die Rolle eines Romanhelden der Renaissance. Dabei gehörte die Ritterzeit schon längst der Vergangenheit an.

 

 

 

Als in Cölln an der Spree Anfang Februar 1581 die Taufe des brandenburgischen Kurfürstensohnes Christian mit einem großen Turnier gefeiert wurde, traten als Herausforderer Curt von Arnim, Markgraf Friedrich und Fürst Joachim Ernst von Anhalt als Ritter Amadis, Esplandian und Florisell in die Schranken. Zwei Tage maßen sie sich mit ihren Kontrahenten im Ringstechen, am dritten fand das Fußturnier statt. 76 Gänge bestanden die Herausforderer gegen ihre Gegner. Drei Stöße mit dem Spieß und fünf Streiche mit dem Schwert seitens eines jeden Kämpfers bildeten einen Gang. 23 Speere und 14 Schwerter soll Curt von Arnim bei dieser Gelegenheit gebrochen haben. Stimmt diese Überlieferung von Ernst Daniel Martin Kirchner, evangelischer Prediger und Rektor der Eberswalder Stadtschule, übrigens 1832 Begründer des ersten Kindergartens in der Mark Brandenburg, in seinem Buch „Die Geschichte des Schlosses Boitzenburg und seine Besitzer, inbesonderheit aus dem Arnimschen Geschlechte“ 1860 veröffentlicht, dann muss man dieser körperlichen Höchstleistung Respekt zollen, zumal der Boitzenburger Schlossherr sich nicht mehr im kraftvollen Jünglingsalter befand, sondern bereits seinen 41. Geburtstag gefeiert hatte. An der Bewunderung dürfte sich auch kaum etwas ändern, wenn man erfährt, dass Curt von Arnim während der Preisverleihung am vierten Tag des Tauffestes nur den 4. Dank erhielt und mindestens drei andere Teilnehmer des Turniers besser gehauen und gestochen haben mussten. Der 4. Dank war immerhin ein Goldener Ring mit einem Rubin.

 

Fünf Jahre später trat Curt von Arnim erneut in die Schranken. Anlässlich der Hochzeit der zwölfjährigen Prinzessin Agnes Hedwig von Anhalt mit dem verwitweten 60-jährigen Kurfürsten August von Sachsen am 3. Januar 1586 in Dessau, der übrigens die Flitterwochen nicht überstand und am 11. Februar 1586 starb, war er von Kurfürst Johann Georg als offizieller Herausforderer für Kurbrandenburg bestimmt worden. Es war das letzte Turnier, das er bestritt. Am 10. November 1586 starb Curt von Arnim. 18 Tage später wurde er in großer Feierlichkeit im Dom von Cölln beigesetzt, wozu sämtliche Glocken des Ortes läuteten, die ganze Geistlichkeit der Stadt und einige Hundert Knaben, Kränze haltend, vor dem Sarg schritten. Dieser wurde vom Brandenburger Dompropst Samuel von Bredow sowie neun Angehörigen des Arnimschen Geschlechtes getragen. Kurfürst Johann Georg von Brandenburg und seine dritte Gemahlin, Elisabeth von Anhalt-Zerbst, sowie die hochrangigsten Männer und Frauen des brandenburgischen Adels folgten dem Sarg. Man trug einen der wohlhabendsten, angesehensten und einflussreichsten Adligen des Landes zu Grabe. Johann Georg hatte ihn nach seinem Regierungsantritt 1571 zum Hofmarschall in Reichsangelegenheiten ernannt und 1583 zum Kammerrat, das heißt in die oberste Führungsregie berufen. Und zwar auf seine eigene Lebenszeit. Curt von Arnim erhielt nach dem Bestallungsbrief vom 19. April 1583 ein jährliches Gehalt von 600 Talern, Hofkleidung für sieben Personen, eine Tonne Hirsch- und eine Tonne Schweinwildbret, dazu so viel Holz wie er zum Betrieb von zwei Kalköfen in Plaue, etwa zehn Kilometer westlich von Brandenburg, benötigte. Diese Stadt und einige umliegende Dörfer, bis 1560 ein kurfürstliches Amt, hatte Curt von Arnim zusammen mit seinem Bruder Bernd 1577 gekauft. Das Geld für den Erwerb der Herrschaft Plaue stammte unter anderem aus zwei Ehen. 1571 hatte Curt von Arnim die 1545 geborene Anna von Schulenburg geheiratet. Deren Vater, Joachim Schulenburg auf Löcknitz, galt neben Heinrich von Rantzau als der reichste Edelmann Deutschlands, wofür als Beleg dessen Löcknitzer Erbregister von 1591 steht, das 205 Seiten umfasst. Drei Jahre konnte er sich des Ehelebens erfreuen. Dann wurde er, nachdem bereits seine zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter, gestorben waren, Witwer. In der Auseinandersetzung mit weiteren Erben seiner verstorbenen Frau und nach Abzug von Schulden blieb ihm die Hälfte des vorhandenen Vermögens, 13.599 Taler.

 

1583 heiratete Curt von Arnim ein zweites Mal. Die Braut hieß Anna von Kotze und brachte neben 5000 Talern Ehegeld noch einmal 10.000 Taler aus dem Erbe ihrer Mutter mit.

 

Andere Teile seines Reichtums hatte Curt 1552 beim Tod seines Vaters Hans, brandenburgischer Rat und Landvogt der Uckermark, geerbt, als Teilhaber von Kaufmannschaften sowie in kursächsischen, kaiserlichen sowie französischen Kriegsdiensten erworben. Er kämpfte im Heer Kaiser Maximilians II. in Ungarn gegen die Türken und 1567 als Kaiserlicher unter Kurfürst August von Sachsen gegen das abtrünnige Gotha, bevor er sich im gleichen Jahr im Treffen von St. Denis in Frankreich für die Hugenotten schlug und dann Wilhelm von Oranien-Nassau  gegen die katholischen Spanier in den Niederlanden folgte. Wilhelm von Oranien hatte 1561 Anna von Sachsen geheiratet, eine Nichte des sächsischen Kurfürsten August. Sie galt als die reichste Erbin Deutschlands, und brachte allein 100.000 Taler Mitgift in die Ehe. Curt von Arnim, zu dem Zeitpunkt noch in kursächsischen Hofdiensten stehend, hatte anlässlich dieser Hochzeit bei verschiedenen Turnieren im Sattel gesessen und war nur einmal Wolf von Schönberg unterlegen, der dafür den Preis für das härteste Treffen erhielt. Er hatte den Uckermärker nicht nur aus dem Sattel gerammt, sondern auch auf die Schranken befördert.   

 

Nachdem Wilhelm von Oranien seine Söldner nicht mehr bezahlen konnte und weder die deutschen Lutheraner noch die französischen Hugenotten oder Elisabeth I. von England versprochene Unterstützung schickten, kehrte Curt von Arnim 1570 aus dem Krieg heim und begann seinen Aufstieg unter Kurfürst Johann Georg von Brandenburg.

 

Als er am 10. November 1586 starb, hinterließ er ein stattliches Vermögen, zu dem neben dem sogenannten Boitzenburger Oberhaus und der Herrschaft Plaue – beim Verkauf durch seinen Sohn Leonhard wenige Tage vor dessen Tod 1620 immerhin 80.000 Taler wert – auch zahlreiche Kostbarkeiten gehörten. Aus dem am 1. Dezember 1587 zur Regelung des Nachlasses aufgenommenen Inventar lässt sich entnehmen, dass der Verstorbene unter anderem mehrere goldene Ketten besaß. Eine, ein Geschenk August von Sachsens, war vier Pfund schwer. Unter dem Silbergeschirr gab es 13 vergoldete Becher, darüber hinaus eine Turnierrüstung, 15 Harnische, 12 Sturmhauben, vier mit Silber beschlagene Schwerter und mehrere Rapiere, von denen eines ebenfalls mit Silber beschlagen war.

 

Dieser Aufwand in der Rüstkammer diente nicht der Dekoration seines uckermärkischen Schlosses. Trotzdem war die Ritterstaffage nur Kulissenzauber.

 

Die Zeit großer Ritterheere gehörte bereits der Vergangenheit an. Könige und Fürsten lösten sich von der feudalen Heerfolge, zu der ihre Vasallen ihnen verpflichtet waren, und warben kriegstechnisch modernere Söldnerheere an. Die hatten mit dem Aufkommen moderner Infanterie (Pikeniere) und leichter Reiter, mit der Weiterentwicklung der Kriegstaktik, fest gefügter Disziplin und der raschen Entwicklung der Waffentechnik (Aufkommen von Feuerwaffen) längst die schweren Ritter ins taktische Abseits gedrängt. Der Berufsstand des Ritters starb aus. Nicht aber die gesellschaftliche Klasse. Dafür sorgte der Hochadel, dem viel daran lag, die ritterlichen Tugenden, ein Geflecht aus persönlichen Wertvorstellungen wie maßvolles Leben, Wohlerzogenheit oder Würde und sozialen Normen wie Höflichkeit, Demut, Großzügigkeit, Freundlichkeit oder Tapferkeit zu erhalten und für seine Zwecke zu nutzen. Ritter ohne Furcht und Tadel waren an den Höfen der Könige und Fürsten gefragt. Geschichten wie die von König Artus und seiner Tafelrunde glorifizierten die Idealvorstellungen ebenso wie die Romane um den gallischen Königssohn Amadis de Gaula.

 

Diesem Helden war erst ein Roman mit drei oder vier Büchern gewidmet. Im Laufe der Zeit schrieben immer neue Autoren neue Geschichten, die bald auch den Söhnen, Neffen oder Urenkeln Amadis de Gaulas Heldenstatus verliehen und sie zu Kultfiguren des 16. Jahrhunderts und die Bücher über sie zur beliebtesten Lektüre der Renaissance werden ließen. Jeder einigermaßen Gebildete kannte Amadis, Esplandian und Florisell und ihnen gleich wollten Curt von Arnim, Markgraf Friedrich und Fürst Joachim Ernst 1581 beim Turnier zur Taufe des brandenburgischen Kurfürstensohnes glänzen, im ritterlichen Kampf wie in prachtvoller Erscheinung.

 

Ihre Kleidung bestand aus Röcken aus braunem Goldstoff mit goldenen Knöpfen und braunen Flügelärmeln aus Atlas, die man mit Goldborte abgesetzt hatte. Die Hosen waren aus dem gleichen Stoff wie die Röcke, die Strümpfe aus brauner Seide und die Stiefel aus rotem Leder mit goldenen Borten. Die mit braunen, gelben und weißen Federn geschmückten Sturmhauben waren mit Helmdecken überzogen. Spornleder, Steigriemen, Degenscheiden, Satteldecken und Pferdegeschirr waren aus rotem Samt. Die Buckel am Geschirr, Steigbügel und Sporen vergoldet. Die Pferde trugen große Federbüsche auf den Köpfen. Jeder Ritter wurde von zwei Ehrenherolden begleitet, welche die Spieße trugen.

 

Es war prunkvolles Theater auf teuerstem Niveau und dabei gleichzeitig ein Kampfsport härtester Art.

 

Nach Curt von Arnim wird von keinem Turnierritter aus der Uckermark mehr ausführlich berichtet.

 

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