Das Blaue Licht

Dreh einer Verfolgungsszene in der Gartenstraße von Barth.                             Foto: Holger Friedrich
Dreh einer Verfolgungsszene in der Gartenstraße von Barth. Foto: Holger Friedrich

Filmregisseure können zaubern. 1975 gab es neben dem Fangelturm in der Darrenstraße plötzlich statt des offenen Durchgangs ein mit großen und starken Flügeln aus dicken Bohlen verschlossenes Tor. Links davon stand ein Posten in Harnisch und Pluderhosen mit Pike Posten. Er kam mit einem jungen Burschen in derber brauner Jacke und zerschlissenen Stiefeln ins Gespräch, der auf einem Esel ritt und ein Pferd am Zaum führte. Unter der Regie von Iris Gusner drehte die KAG (Künstlerische Arbeitsgruppe) Johannisthal der DEFA in Neubrandenburg den Märchenfilm „Das blaue Licht“.

Nicht weit entfernt vom Fangelturm hatte die Filmcrew an der Stadtmauer noch ein kleines Fachwerkidyll mit einem Wirtshaus und einem Brunnen davor entstehen lassen. Ein Jahr später konnten die Neubrandenburger sowohl die an beiden Drehorten entstandenen Szenen im Kino sehen als auch ein Kampfgetümmel, das entlang der Neubrandenburger Stadtmauer, auf ihr und in den Straßen der Boddenstadt Barth gedreht wurde. Außerdem war die Burg Stargard vom Kerzenschein erleuchtet als romantischer Königssitz zu erleben.

Das Drehbuch basierte auf der gleichnamigen Erzählung der Brüder Grimm.

Wer das Original kennt, wird zum fertigen Film zwar noch Ähnlichkeiten mit der Struktur der eigentlichen Fabel entdecken, doch die Haltungen der Figuren wurden einer gründlichen Modernisierung unterworfen.

Im Film erhielt der Soldat aus dem Märchen einen politisch korrekten Hintergrund. Da es zu Zeiten der Filmhandlung noch keine Arbeiterklasse gab, stammte Hans ursprünglich aus dem aus dem Bauernstand. Mit Hilfe eines Männleins (Fred Delmare), das beim Entzünden des blauen Lichts erschien und ihm dienen musste, griff Hans tatkräftig in die Gestaltung seines eigenen Schicksals ein. Dabei stand ihm, im Gegensatz zu dem von den Grimms aufgeschriebenen Märchen, nicht der Sinn nach tödlicher Rache, sondern „nur“ nach Gerechtigkeit für alle Unterdrückten. Deshalb schlägt er im Film auch die Hand der zänkischen Prinzessin (Katharina Thalbach) aus und vertreibt sie zusammen mit dem König und den ganzen Hofschranzen mittels eines furchtbaren Orkans. Im Märchen nimmt er die Königstochter zur Frau und das Königreich als Mitgift.

Weil aber auch in Zeiten des real existierenden Sozialismus ein gutes Märchen ein rührendes Happyend brauchte, durfte der Film-Bauer-Soldat Hans das vom Drehbuchschreiber dazu erfundenes braves Mädchen Anne (Blanche Kommerell) aus dem Volk heiraten, die als Magd im Wirtshaus arbeitete.

Die filmische Geschichte ist an einigen Stellen arg umgedichtet, um die im Sinn der damals herrschenden Ideologie die Botschaft zu transportieren, dass jeder selbst seines Glückes Schmied ist und man keine Magie benötigt, wenn man der eigenen Kraft vertraut und sich auf gute Freunde wie das Männlein verlassen kann.

„Der Film stellt Bezüge zu unserem realistischen Heute her, berührt das Problem der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Unaufdringlich wird bewiesen, was das Männlein zu Beginn des Films in den Raum stellte: Die Macht hat der, der sie zu gebrauchen weiß“, schrieb Filmspiegel-Kritikerin Ingeborg Zimmerling. Und Hans-Dieter Schütt, 1976 Filmkritiker der „Jungen Welt“ und absolut linientreu, gefiel, dass Drehbuchautor Dieter Scharfenberg die Geschichte von humanistischen Allgemeinplätzen hochscheuchte, sozial konkrete Akzente setzte – „ohne dass Held Hans nun gleich fünf Zeigefinger an der Hand hat, die uns auf die Moral des Ganzen stupsen.“

„Das blaue Licht“, das nach der Kinopremiere am 14. März 1976 am 17. Dezember 1977 erstmals im Fernsehen (DFF 1) lief und 1997 auf Video veröffentlicht wurde, gibt es heute als DVD bei verschiedenen Anbietern.

Erzählt wird übrigens, dass der Held (aus) der Sowjetunion, Viktor Semjonow, der den Soldaten Hans verkörperte, nicht reiten konnte und dies nach einigen unsanften Abgängen vom Pferd erst in Neubrandenburg lernen musste.

Der heute 72-jährige Schauspieler Hasso von Lenski, der im Film den Posten Heinz verkörperte, war zur Zeit der Drehzeiten in Neubrandenburg und Burg Stargard übrigens Regisseur und Dramaturg am Neustrelitzer Theater.

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