Der Möchtegernprofessor

Der Großherzog und sein Untertan

Am 7. Juni 1911 besuchte das deutsche Kaiserpaar Neustrelitz. Arthur Diener wird Splier gestanden haben.
Am 7. Juni 1911 besuchte das deutsche Kaiserpaar Neustrelitz. Arthur Diener wird Splier gestanden haben.

Mit der versagten Ehrung eines international anerkannten Künstlers ließ Neustrelitzer Großherzog ließ die Chance aus, die Kleinstadt an der Havel zu einem Zentrum des Mecklenburger Kunsthandwerks zu machen


Fürstenberg. Am 7. Juni 1911 besuchten das deutsche Kaiserpaar Neustrelitz. Die  Hotels und Pensionen waren überfüllt. „Schon in den ersten Morgenstunden überflutete eine festlich gekleidete Menge die Straßen und harrte dann stundenlang vor der Ankunft des kaiserlichen Hofzuges in der Sonnenhitze aus,“ schrieb die Neustrelitzer Zeitung, die auch den Aufmarsch von 31 Kriegervereine zur Spalierbildung beobachtete, den sich die Schützenvereine, -kompanien, -gilden und -korps aus Neustrelitz, Friedland, Strelitz, Fürstenberg und Neubrandenburg anschlossen …

 „Da lachte der Kaiser“, heißt es im Roman „Der Untertan“, wo Heinrich Mann 1914 eine ähnliche Szene beschreibt. In der durchbricht Diederich Heßling die Absperrung und läuft begeistert und katzbuckelnd neben dem Wagen des Kaisers, für einen Moment Auge in Auge der Monarch und sein Untertan.

Man darf annehmen, dass am 7. Juni in Neustrelitz auch der Fürstenberger Kunstmaler Arthur Diener dem Kaiser begeistert zujubelte. Wie Heinrich Manns Untertan verkörperte der Künstler aus der Kleinstadt einen bestimmten Typ des deutschen Kaiserreiches, den eines autoritätsgläubigen und obrigkeitshörigen Konformisten.

„A l l e r d u r c h la u c h t i g s t e r  G r o s s h e r z o g!

 G n ä d i g s t e r  G r o s s h e r z o g  u n d  H e r r! 

Ew. K ö n i g l i c h e  H o h e i t haben allergnädigst geruht, mir nach einem Vortrag des Herrn Rittmeister von Krell gnädgist zu gestatten, mich schriftlich mit der alleruntertänigsten Bitte an Ew. K ö n i g l i c h e  H o h e i t zu wenden, mir allergnädgist den Titel ‚Professor‘ zu verleihen zu geruhen.“

Voller Unterwürfigkeit bettelte der Fürstenberger in einem eineinhalbseitigen Brief vom 20. November 1910 bei Großherzog Adolph Friedrich V. um die Auszeichnung. Unterstützung fand Diener im Bürgermeister und Rat der Stadt Fürstenberg. Am 5. Dezember 1910 wurde im Rathaus ein Brief an das Großherzogliche Ministerium aufgesetzt, in der man betonte, dass man in der Angelegenheit bereits 1907 einen Bericht erstattet habe und man „es mit grosser Freude begrüssen würde, wenn Herr Diener durch die Gewährung seiner Bitte die ihm gebührende Auszeichnung zuteilwürde.“

Arthur Diener lebte dem Bericht des Fürstenberger Rates von 1907 zufolge seit 1903 in der knapp 2500 Einwohner zählenden Stadt an der Havel. Er richtete in der Schliemannstraße kunstgewerbliche Werkstätten ein, wo nach seinen Entwürfen Batik- und Patchworkarbeiten entstanden, die er auf Kunstaustellungen in ganz Deutschland präsentierte und auch über die Grenzen des Reiches hinweg verkaufte. Der Rat hob hervor, dass bei Diener „11 Näherinnen einen Verdienst finden, der den ortüblichen weit übersteigt“ und dass seine Arbeiten „von Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen des deutschen Reiches, von Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin, von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, von Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Friedrich Leopold, von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Leopold“ erworben wurden, das er nach Dänemark, Kaukasien, Chile, Mexiko, die USA, Argentinien, Frankreich und England exportiere und dass das Museen in Krefeld Berlin Werke angekauft haben. Arthur Diener stand gut im Kurs und befand sich im Aufstieg. Zeitungen wie die „Berliner Architekturwelt“ „Der Weltcourier“, „das Landhaus – Wochenschrift für Heimkultur, „Kunstgewerbe fürs Haus“ oder „The Studio“, die 1893 in London gegründete erste Kunstzeitschrift der Welt berichteten über ihn.

Der Münchener Kunstkritiker Dr. Hermann Warlich bescheinigte ihm 1909 in der Zeitschrift „Die dekorative Kunst“ eine große Zukunft: „ Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß wir in der ersten größeren Batikerei Deutschlands von Arthur Diener einen auf künstlerischer Grundlage von einem erfahrenen, praktischen Fachmann geleiteten handwerklichen Großbetrieb zu erblicken haben, der im Laufe der Zeit eine beachtenswerte Stellung in dem neuzeitlichen Gefüge gewerbekünstlerischer Unternehmungen erreichen und wertvolle Arbeiten größeren Umfangs liefern wird...“

Arthur Diener gehörte zu den ersten deutschen Batikkünstlern, die sich vom ornament- und linienbetonten Entwurf niederländischer Vorbilder lösten. In seinen Wandbehängen sind Einflüsse internationaler Stilbewegungen und der japanischen Kunst erkennbar.

Der Fürstenberger Rat der Stadt zollte Diener ebenfalls höchste Anerkennung. In seinem fast sechsseitigen Bericht wies er darauf hin, dass „in anderen Staaten kunstgewerbliche Anstalten ins Leben gerufen und mit hohen Mitteln unterstützt, Künstler durch die Verleihung von Titeln geehrt“ würden und fragte, „sollte das nicht auch in unserem Lande in irgendeiner Weise möglich sein?“  Der Rat regte an, unter dem Dach der von Diener 1901 initiierten Fürstenberger Werkstätten für Kunstgewerbe „eine Kunstgewerbeschule für Mecklenburg ins Leben zu rufen. „Zur Leitung eines solchen Instituts halten wir Herrn Diener für ganz besonders befähigt, und wir sind überzeugt, dass es ihm bald gelingen würde, die Fürstenberger Werkstätten zu hohem Ruf und zur Blüte zu bringen, wenn er durch eine festes Gehalt in die Lage versetzt würde, mehr für die Allgemeinheit zu wirken, während er zurzeit darauf besonders darauf angewiesen ist, durch seine Arbeit sich seinen Unterhalt zu verschaffen.“ Der Rat versäumte auch nicht zu betonen, dass Arthur Diener in zweiter Ehe mit der Margarete Davids, der Tochter des verstorbenen Generalarztes der Marine verheiratet sei. 1910 wurde seine Tochter Susanne geboren.

Arthur Diener sah seine Auszeichnung sehr pragmatisch. „Da ich mit den hier unter meiner Leitung und nach meinen Angaben gefertigten kunsthandwerklichen Erzeugnissen im Ausland überall mit anderen Künstlern meines Ranges zu concurrieren habe, so ist es für mich von dauerndem Nachteil, dass diesen Künstlern fast ausnahmslos von Seiten ihres Landesherrn der Titel Professor verliehen ist, während ich keinen Titel führe.“

Die Großherzogliche Regierung wandte sich eine Woche nach Ankunft des Briefes des Rates der Stadt an den Magistrat und bat den bezüglich der Staatsangehörigkeit von Arthur Diener zu berichten. Am 27.  Februar 1911 bedauerte der in einem Brief an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses die ihm am 20. des Monats gemachte Mitteilung und teilte mit, dass er „zunächst Schritte getan, um seine preussische Staatsangehörigkeit aufzugeben und die Mecklenburg-Strelitzsche Staatsangehörigkeit zu erwerben“. Darüber hinaus sei er überzeugt, „ dass der vielleicht zu einer anderen Zeit auf eine öffentliche Anerkennung seiner Tätigkeit rechnen kann.“

Wie Heinrich Manns Untertan alles für seinen persönlichen Erfolg tat,  handelte auch Arthur Diener als er die Landesfarben wechselte. Auch er strebte nach gesellschaftlicher Achtung, wirtschaftlichen Erfolg und Aufstieg und tat alles dafür. Seine Bemühungen galten nicht allein dem textilen Kunstgewerbe. Er sorgte, wie aus dem Bericht des Rates der Stadt hervorgeht auch für eine ganze Reihe von Aufträgen für Fürstenberger Möbeltischler „die in den letzten Jahren für mehrere tauend Mark Möbel jährlich nah auswärts geliefert“ haben.

Zu einer späteren Ehrung für den talentierten Künstler kam es jedoch nicht mehr. 1914 starb Adolph Friedrich V. Der Nachfolger auf dem Thron zog einen Monat später in den Krieg und nahm sich 1918 das Leben. Aus dem Großherzogtum wurde ein Freistaat und 1921 starb Arthur Diener während eines Kuraufenthaltes.

2009 erinnerte das Brandenburgische Forstmuseum Fürstenberg unter dem Titel „angekommen – weggegangen – wiederentdeckt“ in einer Sonderausstellung an Arthur Diener, seine Tochter Susanne Simon, Alfred Wellm und Heinrich Schliemann.

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