Mit frohen Herzen zieh ich hinaus in den Kampf

Mit Gott für König und Vaterland

Der Kaiser mit seinem Gefolge beobachtet 1911 beim Manöver in der Uckermark das Ringen der roten mit der Blauen Gruppe. Foto: Bundesarchiv
Der Kaiser mit seinem Gefolge beobachtet 1911 beim Manöver in der Uckermark das Ringen der roten mit der Blauen Gruppe. Foto: Bundesarchiv

Vor 100 Jahren tobte der Erste Weltkrieg. Von den 106 bis 1917 aus dem Schulbezirk Stegelitz eingezogenen Männern verloren zwei Drittel ihr Leben. Gutsbesitzer Georg Gustav von Arnim auf Suckow kostete der Krieg eines seiner Güter.

 

Stegelitz/Suckow. „Ahnungsgrauend lag die Stimmung auf dem deutschen Lande. Kaum das man zu atmen wagte im dunklen Gefühl des Nahens der Schicksalsstunde. Jedes laute Geräusch schreckte die Leute auf. Jedes Auto, das durch das Dorf sauste, schien das Verhängnis bringen zu wollen“, schrieb in den letzten Julitagen des Jahres 1914 Max Traugott Ferdinand Weitling in die seit 1869 geführte Schulchronik des uckermärkischen Stegelitz. Von 1898 bis 1923 bekleidete er in dem Gutsdorf zwischen Templin und Angermünde die Stellung des 1. Lehrers.


Nur jeder Dritte kehrte zurück

Bis zum 1. Juli 1917 wurden aus dem Einzugsbereich seiner Schule 106 Männer eingezogen, 66 aus Stegelitz, 16 aus Suckow, 7 aus Schifferhof, 9 aus Hessenhagen, 2 aus Neuland, 4 aus Pfingstberg und 2 aus Charlottenhof. Nicht wenige stürmten als Soldaten enthusiastisch an die Front, wie der Weitlings Sohn, Lehrer im benachbarten Steinhöfel: „Mit frohen Herzen zieh ich hinaus in den Kampf mit dem Schlachtruf ‚Mit Gott für König und Vaterland! ‘.“ Die Mehrheit glaubte an einen schnellen Sieg. Und tatsächlich bestimmte das kaiserliche Heer am Anfang das Kriegsgeschehen. „Nach dem Siege im August wurden alle Glocken geläutet“, notierte Lehrer Weitling in der Schulchronik. In der viertägigen Schlacht bei Tannenberg vom 26. bis 30. August 1914 gewannen die deutschen Truppen gegen eine zahlenmäßig überlegene zaristische Armee. Doch der Blitzkrieg wurde schnell zum Massensterben. Bis zum 1. August 1917 fielen von den 106 Eingezogenen 35, bis Kriegsende weitere 25. Nur jeder Dritte kehrte von der Front zurück. Und beileibe waren nicht alle unversehrt. Zehn Verwundete sind in der Schulchronik namentlich genannt.

Mehr Glück als die einfachen Landser aus seiner Nachbarschaft hatte der 47-jährige Besitzer von Suckow, dem auch die Güter in Stegelitz, Fergitz, Hessenhagen, Voßberg und Pfingstberg sowie Groß Kölpin mit Luisenhof gehörten. 1913 zum königlich preußischen Kammerherrn ernannt, zog Georg Gustav von Arnim mit Kriegsbeginn als Rittmeister der Reserve an der Spitze einer Fuhrpark-Kolonne über Belgien nach Nordfrankreich. Dort versetzte man ihn um die Jahreswende 1914/15 aus „Gesundheitsgründen“ in die Etappe. In sicherer Entfernung zum Kampfgeschehen wurde Kommandant der im 16. Jahrhundert errichteten Festung Le Quesnoy. Aufgrund „von Venenbeschwerden, die sich durch lange Tage im Sattel verschlimmerten“, konnte er, zum Major befördert und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, ein Jahr vor Kriegsende seinen Abschied nehmen.


1915 kamen die ersten Russen

Während des Kriegseinsatzes des Suckower Kammerherrn kümmerte sich seine Frau daheim um die Güter und Forsten. „Sie widmete sich dieser Ausgabe mit großer Energie und viel Geschick“, erinnerte sich beider Sohn und notierte weiter: „Gleichzeitig galt es, die Stimmung unter den ihr anvertrauten und in den Dörfern hoch zu halten, Not fern zu halten und Trauer um Verluste zu lindern. Diese soziale und vaterländische Arbeit lag ihr mindestens ebenso am Herzen wie die auf den Besitz beschränkte Verantwortung. Selten erlosch das Licht auf ihrem Schreibtisch vor Mitternacht.“

Die Aufzeichnungen des 1908 geborenen jüngsten Suckower Sprosses erwähnen aber mit keinem Wort den Einsatz von Kriegsgefangenen auf den Arnimschen Besitzungen. Dabei waren 1915 die ersten Russen nach Stegelitz gekommen und auch auf dem Gut in Suckow schufteten 15 von ihnen. Georg Wilhelm von Arnim betonte vielmehr den Einsatz seiner älteren Schwestern Maximiliane und Alice. Letzterer war „die Aufsicht über die wenigen verbliebenen Kutschpferde anvertraut, die sie mangels Kutscher auch oft vom Bock aus fuhr. Sie unterstützte die Mutter im Besonderen auch bei der Gemeinde- und Sozialarbeit.“


Kaisermanöver mit dem Kronprinzen

Wie oft mag Georg Gustav von Arnim sich in Frankreich an das Kaisermanöver 1911 erinnert haben? In der Rue des Lombards von Le Quesnoy, deren Festung ihm unterstand, befand sich auch das Quartier der kaiserlichen Flieger des 2. Armeekorps. Als 1911 das Manöver in der Uckermark und teilen Mecklenburgs stattfand, waren neben den Bodentruppen erstmals Flugzeuge eingesetzt worden. Damals bestand die komplette preußische Luftwaffe aus ganzen 18 Maschinen, darunter acht Albatros und sechs Rumpler Tauben. Letztere dienten vor allem als Aufklärer. 1911 hatte der Kronprinz mit seiner Entourage auf Suckow geschlafen. Der Kaiser war mit seinem Gefolge im imposanteren Schloss seines Boitzenburger Vetters untergebracht. Die Monate vor dem Manöver hatte Georg Gustav genutzt, sein Suckower Schloss auf den hohen Besuch vorzubereiten. Da die Planungen für die Kaisermanöver ein bis zwei Jahre im Voraus erfolgten, hatte er ausreichend Zeit. In Suckow wurden Wasserleitungen vom See bis ins Schloss, die Orangerie und das Brauhaus gelegt, wobei man die Leitungen zu den beiden Nebengebäuden aber nur bis ins Erdgeschoss führte.


Leiden an der Heimatfront

In der Orangerie, das hatte ihm seine Frau Hulda geschrieben, wurde nach Kriegsbeginn Theater gespielt, „um den allein gebliebenen Frauen Abwechslung zu verschaffen“. Eine einfache hölzerne Bühne und ein aufziehbarer Vorhang waren installiert worden. Der Heizungsraum, der seitlich durch eine Tür zu erreichen war, diente als Garderobe. „Eine zur Hausfreundin gewordene Klavierlehrerin aus Berlin, Fräulein Kern, bewährte sich als Produkteur, Regisseur und Orchester, d.h. durch Begleitung am Klavier.“ Bald aber gab es aufgrund fehlenden Petroleums Probleme mit der Beleuchtung. Der Literpreis war in den ersten Kriegsmonaten von 23 auf 65 bis 70 Pfennig gestiegen. In Suckow, wo man sich mit Kerzen behalf, wäre das nicht das Problem gewesen. Aber Petroleum wurde zugeteilt, und oft gab es selbst den vorgesehenen halben Liter pro Familie nicht. Überhaupt hatte die Menschen an der „Heimatfront“ enorm unter den kriegsbedingten Einschränkungen und Teuerungen zu leiden. Pro Woche gab es pro Person vier Pfund Brot und ein gewisses Quantum Mehl, ab April 1917 drei Pfund. Für ein Pfund Weizenstärke, das vor dem Krieg 40 Pfennig gekostet hatte, wurden zu dem Zeitpunkt vier Mark verlangt.

Nach Kriegsende musste sich Georg Gustav von Arnim auf Suckow bis 1921/22 weiter auf das vor dem Krieg gekaufte Auto verzichten und die Kutsche nutzen bzw. für Fahrten nach Prenzlau sich mit der Bahn begnügen. Darüber hinaus musste er sich in dieser Zeit vom Gut Groß Kölpin einschließlich des Vorwerks Luisenhof trennen und rund 500 Hektar an die Deutsche Ansiedlungsbank verkaufen, um mit dem Geld die anderen Güter wieder auf Vordermann zu bringen, sein Schloss, die Betriebe und die Wohnungen seiner Gutsarbeiter zu elektrifizieren. Für mehr reichte der Verkaufserlös nicht. Die Inflation fraß das Geld schneller als er es investieren konnte.

Georg Gustav von Arnim starb am 28. August 1945 in Suckow. Sein Schloss war vor der Ankunft der Roten Armee bereits in Flammen aufgegangen.

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