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Eine Metropole in der Uckermark

Angermünde und seine geerbten Promis

Er machte mit seinen "Heiden von Kummerow" Angermünde weltberühmt.
Er machte mit seinen "Heiden von Kummerow" Angermünde weltberühmt.

Mit einer Stadt in der Stadt, 22 Dörfern als Ortsteilen und 40 Wohnplätzen wuchs Ehm Welks Randemünde zu einer „Großstadt“. Dabei wurden Schriftsteller, Politiker und Wissenschaftler wie Friedrich Heinrich von der Hagen, der Übersetzer des Nibelungenliedes, zu gebürtigen Angermündern


Angermünde. „Wie eine Weltstadt lag Randemünde da, mit seiner mächtigen Marienkirche, dem Kloster, dem Pulverturm, und überhaupt“. Der Schriftsteller Ehm (eigentlich Emil) Welk ließ seine „Heiden von Kummerow“ die handwerklich und bäuerlich geprägte Kleinstadt Angermünde so sehen, wie sie um 1900 faktisch vor dem Dorfteich seines Geburtsortes Biesenbrow lag.

 

Inzwischen ist aus dem Uckermark-Städtchen tatsächlich so etwas wie eine Großstadt geworden. Mit einer Ausdehnung auf 326 Quadratkilometern, andere Aussagen geben 345 an, ist die ehemalige Kreisstadt eine der flächenmäßig größten deutschen Kommunen und liegt gleich hinter der sächsischen Hauptstadt Dresden auf Platz 11 noch vor der Freien und Hansestadt Bremen. Auch hinsichtlich des kulturell-historischen Erbes braucht sich die uckermärkische „Großstadt“ zwischen den beiden Metropolen nicht zu ducken. Dank Eingemeindung ist Ehm Welk nun gebürtiger Angermünder, genauso wie Hermann Dietrich. Der 1856 in Schmargendorf zur Welt gekommene stellvertretende Vorsitzende der von ihm mitbegründeten Deutschnationalen Volkspartei war Vizepräsident der Weimarer Nationalversammlung, Vizepräsent des Reichstages und ein Onkel von Marlene Dietrich. Doch damit nicht genug an namhaften Söhnen der Stadt. Im Zuge der Hochzeit mit Schmiedeberg brachte die Braut mit Friedrich Heinrich von der Hagen einen weiteren Prominenten als Mitgift in die Stadtgeschichte ein. Der 1780 geborene Germanist, der wissenschaftliche Kontakte mit Ludwig Tieck, Achim von Arnim, Clemens Brentano und Johann Wolfgang von Goethe pflegte übertrug das Nibelungenlied in unser heute gesprochenes Deutsch.


Von Goethe geschätzt

In Weimar las der dichtende Minister, der nach dem Herzog mächtigste Mann, einem Zirkel von Hofdamen zwischen November 1808 und Januar 1809 das gesamte Nibelungenepos Hagens vor und diskutierte schon 1806 mit dem dänischen Dichter Adam Oehlenschläger „Proben der Nibelungen nebst Auszugs des Inhalts vom Ganzen“, die von der Hagen in der Zeitschrift „Eunomia“ veröffentlicht hatte. Goethe war begeistert von dem Stoff. Über zwei Jahre beschäftigte er sich intensiv und kritisch damit. In Bezug auf von der Hagen meinte er: „Es fehlt noch an der Biegsamkeit des Ausdrucks.“ Doch dankte er dem Uckermärker auch für seine Bemühungen um diese Dichtung. Der gebürtige Schmiedeberger hatte an dem Nationalepos der Deutschen in der bislang schmachvollsten Zeit seines Vaterlandes gearbeitet. Mit Bayern, Württemberg und Baden kämpfte ein Teil der deutschen Staaten auf Seiten Napoleons gegen Österreich, Russland, Schweden und Großbritannien. Preußen war 1806 in einen Krieg gegen Frankreich hineingezogen und vernichtend geschlagen worden. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation erlosch im gleichen Jahr mit der Niederlegung der Reichskrone durch den Habsburger Kaiser Franz II. In dieser Zeit wirkten die Nibelungen wie eine Verheißung der Wiederkehr großer deutscher Herrlichkeit. Freunde feierten den Herausgeber und kündigten seine Übertragung als Werk an, das den Blick der ganzen Nation auf sich ziehe und einen Wendepunkt in der Literatur darstelle.

 

Friedrich Heinrich von der Hagen, studierter Jurist und seit 1801 beim Berliner Stadt- und Kammergericht tätig, verließ nach Napoleons Sieg über Preußen den Staatsdienst und widmete sich seinen Forschungen. Als Privatgelehrter beschäftigte er sich mit dem Studium der altdeutschen Literatur und Kunst und promovierte 1808. Kritik verschreckte ihn nicht. Sie schien ihn eher anzuspornen. Bis 1810 gab er den 1. Band der „Deutschen Gedichte des Mittelalters“ heraus, der ebenfalls vergessene Epen wie „König Rother“, „Salomon und Morolf“, „Herzog Ernst“, „Wigamur“ und „Der heilige Georg“ enthielt. Ihm folgte der 1. Band des „Buches der Liebe“ mit Romanen wie „Tristan“ „Fierrabras“, „Pontus“.

 

1810 wurde er auf eigenem Antrag hin außerordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur an der neugegründeten Berliner Universität. Dass er in dieser Funktion kein Geld verdiente, war ihm egal. Er konnte endlich das deutsche Altertum lehren, es zu einer lebendigen Wissenschaft machen und im Kreis der Universitätsstudien als Lehrgebiet fest verankern. Ein Jahr später ging er, ebenfalls als außerordentlicher Professor, das heißt wieder ohne Gehalt, nach Breslau, wo 1818 zum ordentlichen Professor befördert wurde und ihn 1824 seine Berufung an die Friedrich-Wilhelms-Universität nach Berlin erreichte.


Von Grimm gehasst

Bis ins hohe Alter publizierte von der Hagen rastlos. Er gab allein 15 Bände mit Märchen aus „Tausend und einer Nacht“ und elf Bände „Tausend und ein Tag“ heraus. Ihm war es wichtig, ins Vergessen geratene Werke des Altertums wieder bekannt zu machen. Darin bestärkte ihn der Beifall einer großen Leerschaft, weil er für sie die Bücher mundgerecht machte. An Textkritik war er weniger interessiert, weshalb es zu Kontroversen mit Jacob und Wilhelm Grimm kam. Jacob Grimm schrieb bitterböse über von der Hagens „Falschheit“ und Wilhelm Grimm kritisierte die Nibelungen. Das Buch habe jedem gerecht sein wollen und sei niemand gerecht geworden. Sicher spielte bei der Kritik auch gekränkter Eitelkeit einer Rolle. Die Brüder Grimm hatten auch eine Herausgabe der Nibelungen geplant, wie auch der „Edda“. Auch bei der Publikation der Sammlung nordischer Dichtungen im Original wie in der Übersetzung kam von der Hagen wieder den Brüdern zuvor. Wie sehr muss es ihm angesichts seiner Auseinandersetzungen mit den Grimms gewurmt haben, dass er am 11. Februar 1841 gleichzeitig mit Wilhelm Grimm zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin gewählt wurde?

 

Der unentwegt publizierende Germanist war davon besessen, vergessene Geschichte(n) einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Für diese Besessenheit scheute er selbst vor finanziellen Opfern nicht zurück. Nach seiner eigenen Ansicht war er der eigentliche Repräsentant der altdeutschen Studien. Das wollte er deutlich machen. So stellte die Masse der Veröffentlichungen vor ihre Klasse. Die in Fachkreisen zunehmende Professionalisierung der Germanistik, wollte er nicht mitmachen. Vielleicht konnte er es auch nicht. Trotzdem hat der Neu-Angermünder mit Schmiedeberger Wurzeln öffentliche und wissenschaftliche Anerkennung verdient. Immerhin hat er eine Vielzahl uralter literarischer Werke der Forschung zugänglich gemacht. Allerdings darf man es nicht unterlassen, den Mitbegründer der Germanistik kritisch zu betrachten. Ohne methodisch- wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den von ihm massenhaft publizierten Schriften blieb er sein Leben lang ein zwar scharfsinniger und hochintelligenter Publizist, doch auch ein Dilettant. Nach seinem Tod 1856 fand er in gegenüber seinem Geburtshaus seine letzte Ruhe.

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Kommentare: 6
  • #1

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