Neubrandenburgs erster Regonalkrimi

Fritz Reuter ermittelt selbst

Goyke, Frank: Doppelmord – Fritz Reuters erster Fall, Hinstorff, ISBN 978-3-356-01903-2
Goyke, Frank: Doppelmord – Fritz Reuters erster Fall, Hinstorff, ISBN 978-3-356-01903-2
Fritz Reuter 1857, aufgenommen im Atelier Blume in der Treptower Straße.
Fritz Reuter 1857, aufgenommen im Atelier Blume in der Treptower Straße.

Neubrandenburg. Ostern 1857 kehren Fritz Reuter und seine Freunde Viktor Siemerling und Wilhelm Bahr von einem Ausflug nach Burg Stargard zurück nach Neubrandenburg. Im Lindethal werden der Schriftsteller, der Apotheker und der Fotograf Zeugen, wie an einer Papiermühle die Leiche eines Säuglings gefunden wird. Da es sich um die Mühle eines konvertierten Juden handelt, brodelt die Gerüchteküche heftig. Plötzlich brennt die Mühle. Mecklenburg-Strelitz ist in Aufruhr und Fritz Reuter beginnt unfreiwillig zu ermitteln.


Nicht nur lokales Gewand

Mit „Doppelmord – Fritz Reuters erster Fall“ legt der 1961 in Rostock geborene Autor seinen ersten Neubrandenburger Regionalkrimi vor, pikanterweise im Hinstorffverlag, dem Verlag, der 1859 in Neubrandenburg bei Carl Brünslow die Verlagsrechte an Fritz Reuter erwarb.

Der studierte Theaterwissenschaftler erweist sich in seinem Neubrandenburg-Krimi als ein intimer Kenner der Stadtgeschichte. Geschickt verwebt er die fiktive Handlung seines Romans mit echten und erfundenen Schauplätzen sowie handelnden Personen. Mit dem Apotheker, Kaufmann und Bankier Viktor Siemerling, den Brüdern Franz- und Ernst Boll, dem Arzt Friedrich Wilhelm Ludwig Brückner, dem Ratskellerwirt Adolph Ahlers oder dem Porträtmaler und Fotografen Wilhelm Bahr, der, wie Reuter, 1856 nach Neubrandenburg gekommen war und in der Friedländer Straße 49 sein Atelier eröffnet hatte, haucht er Freunden des Schriftstellers Leben ein und lässt mit ihrer Hilfe das Leben in Neubrandenburgs Innenstadt sanft pulsieren. Als Leser fühlt man sich mitgenommen in die ansteckende Alltagsruhe Mitte des 19. Jahrhunderts als das keine 7000 Einwohner zählende Neubrandenburg die politisch bedeutendste Stadt im kleinen Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz war und als Vorderstadt das Recht genoss, alle Städte des Landes Stargard auf den Landtagen Mecklenburgs zu vertreten. Frank Goyke bietet mit „Doppelmord“ mehr als einen spannenden Krimi im lokalen Gewand. Vor allem den Neubrandenburgern schenkt er mit seinem Buch einzigartige Geschichtsstunden.


Ein Krimi, der entschleunigt

Diese Ausflüge in die Heimatgesichte machen zum Beispiel mit dem Papiermüller Wilhelm Krüger bekannt, den Reuter und seine Freunde zusammen mit seinem Sohn Hermann wenige Wochen vor seinem Tod 1857 kennenlernen. Hermann erzählt den Besuchern auf deren Fragen nach der Papierproduktion, dass es bald vorbei sein wird mit der Verarbeitung stinkender Lumpen zu Papier. Nach dem Tod seines Vaters modernisiert Hermann Krüger die Papiermühle im Lindethal. Er verzichtet auf die Verarbeitung von Lumpen und nutzt Holzschliff mit dem Ergebnis, dass sich die Produktion mehr als verdreifacht.

Beim Lesen des Krimis verliert man leicht den Blick für unseren hektischen Alltag. Wer der Geschwindigkeit Reuters folgt, braucht nicht nur Stunden für den Weg nach Neustrelitz oder fast einen Tag bis Malchow, er erlebt (un-)bewusst eine entspannende Entschleunigung. Zu der trägt auch die wenig komplizierte Sprache von Frank Goyke bei. Sie erleichtert sowohl Lesefluss als auch Lesevergnügen, da man sich nicht laufend in komplizierter Grammatik verheddert. Hier merken Leser deutlich, dass Frank Goyke ein routinierter Krimiautor ist und nicht den ersten Schriftsteller als Ermittler einsetzt. Im Brandenburgischen durfte sich zwischen 2008 und 2013 Theodor Fontane viermal bewähren. Als Urlaubsgast im (abgerissenen) Kurhaus Augustabad 1897 könnte Goyke ihn in Neubrandenburg noch einmal aufleben lassen, wo Reuter doch 1863 nach Eisenach umzog. Bis dahin dürften sich Neubrandenburger Krimi- und Fritz-Reuter-Fans mit Sicherheit auf neue Fälle weinseligen Schriftstellers freuen. Der Untertitel –„ Fritz Reuters erster Fall“ kündigt weitere Geschichten ja an.


Fürstenkeller war Fürstenhof

Vielleicht erhält dann auch der Wirt des „Fürstenkellers“, in dem der ermittelnde Schriftsteller im Roman so gerne einkehrt, einen Namen. Den verschwieg Frank Goyke bislang. Vielleicht weil es zu Reuters Zeiten auch keinen „Fürstenkeller“, sondern nur einen „Fürstenhof“ gab. Als vornehmste Herberge der Stadt befand sich das Haus ab 1838 im Besitz von Heinrich Lorentz, dann von dessen Sohn Fritz, der in 1880 an Max Selkes verkaufte. Der im Hirnstoff-Verlag erschienene Roman hat am 27. März um 19 Uhr im Fritz-Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen seine Premiere. Am 31. März wird er um 20 Uhr auf einer Veranstaltung der Thalia-Buchhandlung im Neubrandenburger Fürstenkeller vorgestellt.

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