Riesen im Raps

Südamerikaner werden in Mecklenburg heimisch

Utrecht. Im Biossphärenreservat Schaalsee im Nordwesten des Landes ist man stolz auf die Sperbergrasmücke, den Mittelspecht und die Rotbauchunke und weist gern auf kleinen Infotafeln auf die seltenen Bewohner entlang der Grenze zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein hin. Doch keine einzige Infotafel informiert über die südamerikanischen Einwanderer, die die Region Nordwestmecklenburg soviel Öffentlichkeit verschaffen, wie es die teuerste PR-Kampagne wohl nicht könnte.

 

Vielleicht ist das Revier der hier frei lebenden Nandus inzwischen zu groß. Rund 100 Quadratkilometer rund um das Dorf Utrecht am Ufer des Großen Ratzeburger Sees sollen es inzwischen sein. Die Gruppe von drei Hähnen und vier Hennen, der im Herbst 2000 im lauenburgischen Groß Grönau die Massenflucht aus einer privaten Zucht gelang und die sich über die Wakenitz nach Mecklenburg-Vorpommern absetzte, ist inzwischen auf fast 130 Tiere angewachsen, obwohl die Population im harten Winter 2009/10 einen herben Verlust hinnehmen musste und nur ein Küken überlebte. 80 Jungvögel starben. Den Alttieren dagegen machen Kälte und Schnee nichts aus. Sie sind kräftige, wehrhafte Laufvögel, die als Sprinter bis zu 60 Kilometer pro Stunde erreichen. Einen Fuchs können sie leicht das Fürchten lehren. Ängstlich sind die bis zu 35 Kilo schweren und auch 1,70 Meter großen Laufvögel nicht. Eine Nähe von zehn Metern lenkt sie nicht von ihrem Geschäft ab, beim Näherkommen halten sie aber eine Distanz von sechs, acht Metern. Ihre Neugierde immerhin lässt sie nicht sofort das Weite suchen. Laut Washingtoner Artenschutzabkommen dürfen die südamerikanischen Einwanderer, die übrigens in MV inzwischen offiziell zum heimischen Wild gehören, nicht gejagt werden, auch wenn Bauern Fraßschäden an vor allem an Raps und Mais ins Feld führen.

 

2009 waren Nandus sogar Thema im Bundestag. Die schleswig-holsteinische FDP-Abgeordnete Dr. Christel Happach-Kasan wollte wissen, wie die Bundesregierung es mit den Vögeln hält. Die Antwort: Es sei „nicht hinreichend belegt, dass der Nandu die Tier- oder Pflanzenwelt der europäischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt“. Aber: Er sei „weiterhin intensiv zu beobachten“. Die Parlamentarierin hatte wohl Angst vor der Rückkehr der Lateinamerikaner, die dabei beobachtet sein sollen, wie sie Kraniche bei deren Brutgeschäft störten, indem sie Nester räuberten.

 

Vielleicht haben die heutigen Mecklenburger Nandus bei ihrer Flucht in den Osten geahnt, dass in Schleswig-Holstein einmal aus rein wissenschaftlichen Gründen eine bestimmte Zahl erwachsener Tiere geschossen werden darf. Jedenfalls nutzten die frechen Vögel die Lücken des deutschen Föderalismus, als sie über die ehemals deutsch-deutsche Grenze ins Nachbarland entwichen. Nandus sind flugunfähig, aber man muss ja auch nicht gleich in die Luft gehen, wenn man sich auch als „Wasservogel“ fortbewegen kann. Die Riesen der Pampa sind, wer hätte das gedacht, Schwimmer. Weil der lässliche Geflügelzüchter aus Schleswig-Holstein stammte, seine Nandus aber in den Wendewirren klugerweise über das Flüsschen Wakenitz entkamen, fühlte sich nach dem Grenzdurchbruch auf beiden Seiten der niemand zuständig.

 

Nach dem Ausbruch im Jahr 2000 hätte eigentlich der Gehegebesitzer die Tiere wieder einfangen müssen, zur Not unter Zwang der Landesbehörden. Tierisches Glück für die beeindruckenden Laufvögel. Jetzt werden sie nur zweimal im Jahr im Auftrag des Landes gezählt. Ansonsten lässt man die Allesfresser, die am Tag übrigens durchschnittlich 1,5 Kilogramm pflanzliche Nahrung zu sich nehmen und die ihren Wasserbedarf aus der Nahrung stillen, in Ruhe.

 

Bei den Nandus sind die übrigens die Hähne für das Familienleben zuständig. Sie bebrüten 30 bis 40 Tage lang die bis zu 20 Eier mehrerer Weibchen aus, die die ihnen in Nest legen und führen später auch die Jungen. Geschlechtsreif sind die Tiere im Alter von zwei bis drei Jahren.

www.nandu.info

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