Operette das Theater!

Neustrelitz. Die Mitarbeiter der Theater- und Orchester GmbH sollten sich mehr in die Diskussion um die Zukunft der TOG einbringen und eigene Ideen auf den Tisch legen, forderte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider jüngst in einer Diskussion zur Theaterreform in Neubrandenburg.
Mit Sicherheit sind Festspiele auf dem Schlossberg kein Stein der Weisen, aber sie könnten ein wichtiges Steinchen in einem fertigen Mosaik sein. Die Neustrelitzer Schlossgartenfestspiele, wie sie bisher hießen, sind die größten Operettenfestspiele Deutschlands. 2001 fanden sind zum ersten Mal statt. Mit der Uraufführung von „Königin Luise – Königin der Herzen“ erinnerten die Festspiele just im 300. Jahr der Gründung des (Groß-)Herzogtums Mecklenburg-Strelitz an dessen spannende Geschichte. Der „Tagespiegel“ schrieb damals. „Luise, die Herzenskönigin, soll ihrem Neustrelitz noch einmal Gutes tun: Mit ihrer Hilfe will das schmucke Residenzstädtchen vom weißen Fleck auf der Landkarte der Freizeitgesellschaft zum Tourismusmagneten avancieren.“ Nachdem Luise 2004 noch einmal im Schlossgarten tanzte, erinnerten die Festspiele in ihrem fünften Jahr mit „Die lustige Witwe“ von Franz Lehár an ein weiteres Kapitel Mecklenburg-Strelitzer Geschichte(n). 1905 uraufgeführt, wird mit ihr der Balkanstaat Montenegro verspottet, dessen Fürst seine Staatsausgaben durch den Verkauf von Briefmarken und Bestechungsgelder der Großmächte finanzierte und der von den Mächtigen Europas als „Zaunkönig“ postuliert wurde. Seine Schwiegertochter war die Tochter der Großherzogs Adolph Friedrich V. von Mecklenburg-Strelitz, Herzogin Jutta.
Über Luise und Jutta hinaus, hat die herzogliche Familie noch eine Reihe von bemerkenswerten Geschichten zu bieten. Mecklenburgs Nationaldichter Friz Reuter hat sich mit „Dörchläuchting“ Herzog Adolph Friedrich IV. vorgenommen und vom Bruder der englischen Königin Charlotte das Bild eines schrulligen Duodezfürsten gezeichnet. 2010 hat der Neustrelitzer Komponist Torsten Harder an einem Musical „Dörchläuchting“ gearbeitet und Ergebnisse des Arbeitsprozesses auf einer Veranstaltung im heutigen Hotel „The Royal Inn Park Hotel Fasanerie“ vorgestellt. Was ist aus Harders Kompositionen geworden?
Der Bruder der englischen Königin
Doch nicht nur das literarische Aushängeschild des Herzogshauses böte Stoff für neue Musicals. Sein Bruder, Herzog Georg August, lebte wie der antike Krösus über seine Verhältnisse und wollte die
letztlich durch die heimliche Hochzeit mit einer unehelichen Tochter des Herzogs von Pfalz-Bayern ordnen. Verhandeln ließ es die Sache durch seinen Adjutanten Joseph Freiherr von Berlichingen.
Der Mann war ein direkter Nachfahre des berühmten Leck-mich-Ritters Götz. Als die Sache schief ging war der Herzog kurze Zeit später an einer Krankheit gestorben. Ein Schelm, der böses dabei
denkt. Oder warum durfte der Bruder der englschen Königin Charlotte über 60 Jahre fern der Heimat als Untermieter in einer fremden Gruft ruhen, ehe ihn sein Patenkind nach hause holte?
Leibrente für die Geliebte
Interessant sind auch Dörchläuchtings Nachfahren Adolph Friedrich V. und Adolph Friedrich VI. Vater und Sohn, vorletzter und letzter Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, bewiesen eine besondere Theaterliebe. Der eine vergötterte die Schauspielerin Dora Urbas, spätere Condesa de Matzenau, der er kurz vor seinem Tod 1914 in einem Brief eine Jahresrente von 20.000 Goldmark aussetzte, die seine Witwe auch treu bis 1923 zahlte. Doch als im Zuge der Inflation die Rente der allgemeinen Entwertung verfiel, klagte die Ex-Geliebte gegen die Ex-Frau wegen einer hundertprozentigen Aufwertung, worauf die Ex-Frau die Ex-Geliebte beklagte. Ergebnis: Höchst richterlich wurde festgestellt, dass „die Rente wohl eine Belohnung für die jahrelange geschlechtliche Hingabe der Beklagten und den ehebrechirische Verkehr“ bilden sollte“. Dora de Matzenau wurden jetzt 6000 Mark Rente zugesprochen.
Goldfritzchens Schatz
Wie der Vater verguckte sich auch der Sohn in eine Schauspielerin. Und die kostete ihm sogar das Leben. 1918 erschoss er sich in einer stürmischen Nacht am Kammerkanal nachdem ihm seine Cousine Marie Auguste von Anhalt, die spätere Adoptivmutter des Prinz Peinlich von Hollywood, des Ehemanns von Zsa Zsa Gabor, einen Brief des Kaisers gebracht hatte. Obwohl der Inhalt des Schreibens nicht bekannt ist, darf man annehmen, dass ihm Kaiser Wilhelm mitteilte, dass eine „gewisse Geschichte“ drohte bekannt zu werden. Der begehrteste Junggeselle des Kaiserreiches, wegen seines unermesslichen Reichtums das „Goldfritzchen“ genannt, wurde von der Schauspielerin Margit Höllrigl erpresst. Die gebürtige Wienerin, die um 1900 aus dem damaligen Teplitz an das Neue Theater Berlin (heute Theater am Schiffbauerdamm und Spielstätte des Berliner Ensembles) kam, spielte in Gegensatz zu Dora Urbas, der Geliebten Adolph Friedrich V., zwar nie in Neustrelitz, aber der Sohn hegte wohl nicht zuletzt ihretwegen große Pläne bezüglich eines Theaterneubaus in seiner Residenzstadt.
Doch die „jugendschöne Künstlerin“, wie sie 1901 das illustrierte Unterhaltungsblatt „Der Humorist“ bezeichnete, das ihre „ausdrucksvolle Mimik, die Plastik ihrer Bewegung und die Anmut ihrer Gesten lobte, sowie ihren „graziösen Körper“ wurde zur Femme fatale für den Multimillionär auf dem Strelitzer Thron. Sie drohte als er aus Gründen der Staatsräson die uradlige Prinzessin Benigna Reuß-Köstritz heiraten wollte, kompromittierende Briefe zu veröffentlichen, die homoerotische Neigungen des jungen Landesherrn publik gemacht hätten. 1918 galt der Paragraph 175 des Bürgerlichen Gesetzbuches noch, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte. 118 Homosexuelle wurden im letzten Jahr des Kaiserreichs zur Gefängnisstrafen verurteilt. Ein Landesfürst hinter Gittern? Das war undenkbar.
Noch 1926 spielten die Vorgänge um die inzwischen zur Gräfin von Bubna-Litic aufgestiegene Lebedame eine Rolle. Auf der 45. Sitzung des Rechtspflegeausschuss des Deutschen Reichstages am 12. Januar hatte der Mecklenburg-Strelitzsche Staatsminister Dr. jur. Roderich Hustedt als der Bevollmächtigte zum Reichsrat, dem SPD-Abgeordneten Dr. Kurt Rosenfeld, übrigens Anwalt von Rosa Luxemburg, Auskunft zu den Ansprüchen der „früheren Mätressen“ zu geben. Rosenfeld führte an, „dass fünf Millionen Goldmark versprochen worden seien für die Rückgabe gewisser kompromittierender Briefe des Großherzogs“. Hustedt antwortete, das die betreffende Dame zunächst nur einen Teilbetrag von 50.000 Mark eingeklagt habe und im übrigens die Sache beim Landgericht in Dresden schwebe. Wo man noch 1928 auf ein Urteil, möglicherweise im kommenden Jahr, wartete.
Der Hecht im Karpfenteich
Zu den Geschichten vom frivolen Provinzleben ließe sich auch die der älteren Tochter Adolph Friedrichs V. hinzufügen. In Zeiten als es noch kein elektrisches Licht und damit auch kein Aufklärung via Privatfernsehen gab, sammelte frau halt höchstpersönlich die Erfahrungen. Im erbgroßherzoglichen Carolinen-Palais half der Kammerlakai Heinrich Hecht dabei der blutjungen Prinzessin Viktoria Marie. 1898 brachte sie in London dessen Tochter zur Welt und heiratete im Jahr darauf den französischen Geliebten der spanischen Infantin Eulalia, Graf Jamatel, von dem sie sich scheiden ließ als dessen Liebesbeziehung zur spanischen Infantin bekannt wurde und ihr Mann ihren Bruder im Duell erschossen hatte.
Auch der jüngeren Schwester Jutta, der späten Kronprinzessin und Titularkönigin von Montenegro, soll der Hecht (im Karpfenteich), wie der Volksmund munkelte, unter die Arme gegriffen haben. Noch 1931 verklagte ihr Angetrauter, Prinz Danilo, einen Berliner Journalisten auf Unterlassung solcher Aussagen.
Ob auch das Haus Thurn und Taxis klagen würde, wenn das Leben ihrer Fürstin Terese auf die Bühne käme? Die frühere Mecklenburg-Strelitzer Prinzessin verhandelte nicht nur mit Zar Alexander und Kaiser Napoleon. Die Retterin von Macht und Vermögen des Fürstenhauses leistete sich, während der Gatte in Paris lebte, eine mehrjährige Affäre mit einem Grafen von und zu Lerchenfeld und eine uneheliche Tochter, die später auch ein uneheliches Kind zur Welt brachte. Der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm.
Beziehungschaos
Unehelichen Nachwuchs kann man Prinzessin Friederike zu Mecklenburg nicht nachsagen. Die jüngere und schönere Schwester der Königin Luise von Preußen und der Fürstin Therese von Thurn und Taxis war allerdings auch kein Kind von Traurigkeit. Mit 16 verheiratet soll sie ein Verhältnis mit dem Onkel ihres Mannes gehabt haben. Preußenprinz Louis Ferdinand rühmte sich damit. Als 17-jährige Witwe verlobte sie sich mit dem Herzog von Cambridge, später heiratete sie dessen jüngeren Bruder. Beides waren Söhne der englischen Königin Charlotte und damit Cousins von Friederike. Dazwischen war sie aber unverheiratet schwanger und musste heimlich heiraten. Bevor es zur beschlossenen Scheidung kam, löste der Gatte das Problem durch einen tödlichen Schlaganfall.
Mit Sicherheit dürfte der Stoff für zahlreiche neue Operetten in Neustrelitz nicht ausgehen. Erst zur Wiedereröffnung des restauriertes Mirower Schlosses Pfingsten 2014 erzählte Friederike Drinkuth, Kuratorin bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Mecklenburg-Vorpommern ,während einer Journalistenführung, dass deren erste Hausherrin als Witwe dort noch zwei Töchter bekommen habe. Solche (Musik-)Theaterstücke, Musicals oder Operetten, die allerdings noch geschrieben werden müssten, sind mit Sicherheit nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal in der Bühnenlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns. Und dass solche Werke durchaus erfolgreich sein können, die Luisen-Operetten-Pasticcios und vor allem Franz Lehárs „Lustige Witwe“ hat es eindeutig unter Beweis gestellt.
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