Mit dem Hausboot auf der Mecklenburger Seenplatte

Waren. Schneller als Harald Kuhnle dürfte nach der Wiedervereinigung niemand im Warener Landratsamt um eine Gewerbeanmeldung nachgefragt haben. Es waren noch nicht einmal 24 Stunden vergangen, da stand er am 4. Oktober vor einer verdutzten Verwaltung, die ihn sprichwörtlich von Pontius nach Pilatus und zurück schickte, bis er schließlich den Postweg nutzte.
Der Schwabe wollte im Herzen der Mecklenburgischen Seenplatte ein Chartergeschäft aufbauen, so wie er es seit 1984 mit seinem Vater an der Seite in Frankreich, Holland, England und Irland getan hatte. Mit vier kleinen Booten, einem Schwimmsteg und einem Autokran startete er 1991 von Waren aus in die Saison. Heute umfasst die Flotte mehr als 130 Hausboote unterschiedlichster Größe, von denen mehr als 50 im Hafendorf Müritz in Rechlin ihre Basis haben. Nachdem die Warener Stadtvertreter Angst hatten, die komplette Bewirtschaftung ihres Stadthafens in die Hand des aus Stuttgart stammenden Unternehmers zu legen, erwarb der im Rahmen einer Zwangsversteigerung 1997 das Gelände der ehemaligen Bootswerf Rechlin.
Marode Werkhallen abreißen, rund um den einzigartigen Hafen, der über einen kleinen Stichkanal von der Müritz aus erreichbar ist, ein maritimes Urlaubsdorf errichtet, eine moderne Marina aufgebaut und eine eigene Werft. Alles machbar über eine Bankfinanzierung solange u. a. auf dem Grundstück noch ansässige Unternehmen über ihre Miete den Kredit bedienen. Doch das Leben geht oft andere Wege, Firmen auch, wenn die Gemeinde sie mit günstigeren Angeboten in ein neues Gewerbegebiet lockt.
Zum Glück brachte die Politik aber eine Verordnung auf dem Weg, die ab 2000 eine führerscheinfreie Hausbootvermietung erlaubte. „Das bewahrte uns nicht nur vor dem Genickbruch“, sagt Dagmar Kuhle. Jetzt kamen Urlauber in Massen, um einmal als Käpt’n mit Familie über die Mecklenburger Seen oder das Mecklenburger Meer zu schippern. Und zum Glück, wie die Kuhnles meinen, reißt der Boom bis heute nicht ab. Vor allem die Bayern und Baden Würtemberger sind es, die es ans blaue Herz von MeckPom zieht. Zunehmend schließen die Sachsen auf. Auch wenn ein Großteil der Hausbootkapitäne die verschwiegenen Buchten der Seenplatte bevorzugen. In die Müritzhauptstadt wollen die meisten Skipper und Crews. Das ist gar kein Problem, meint Dagmar Kuhnle, wenn die Skipper die Vorschriften beachten: immer auf der Westseite unter Land entlang der grünen Tonnen fahren, bis höchstens Windstärke drei und alle Crewmitglieder in Rettungsweste. Als erfahrene Wassersportlerin versteht die Pressechefin der Kuhnle-Gruppe, die die anfängliche Angst manches Urlaubers vor 17 Tonnen Hausboot zumal es sich auf Wasser anders verhält als das eigene Auto auf der Straße. Sie empfindet ein klein wenig Angst jedoch als hilfreich, denn es schärft die Vorsicht. Große Unfälle hat es deshalb auch noch nie gegeben. Und außerdem: „Acht Millimeter Stahl plus drei Millimeter Farbe vertragen schon mal einen kleinen Stoß. Und üblicherweise schützen Fender bei Hafenmanövern oder beim Liegen an der Kaimauer oder in der Schleuse die Außenhaut.“ Mieter eines Hausbootes haften maximal mit ihrer Kaution, die allerdings auch Tausend Euro beträgt, sich aber durch eine Zusatzversicherung auf bis zu 200 Euro senken lässt. Doch 80 Prozent aller Schäden liegen unter 100 Euro. Und lächelnd fügt sie hinzu, dass sie bei ihrer allerersten Fahrt aus dem Rechliner Hafen auch kurz Bekanntschaft mit der Kaimauer schloss. Sie, aber auch die Einweiser, die die Chartergäste gründlich mit dem Boot vertraut machen, verstehen es Befürchtungen aus dem Weg zu räumen und Spaß zu wecken. „Wir wollen kein Boot vermieten, sondern ein Urlaubsgefühl. Und sei es auch nur für kleinen Törn.“
Längst vermieten die Kuhnles nicht mehr nur Boote. Sie verkaufen Urlaub, bauen eigene Boote und welche im Kundenauftrag und sind zunehmend als Werft für private Bootsbesitzer gefragt.
Im März erwarten sie auf der Müritz die ersten Hausbootmieter: Die Angler zieht es dann wieder raus auf die (den) See.
Anker werfen an der Müritz
Keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die Liste von Häfen und Liegeplätzen an der Müritz, da in letzter Zeit eine Vielzahl neuer Liegeplätze mit Versorgungseinrichtungen entstand bzw. gegenwärtig entsteht. Gute Informationen bietet die Seite www.mueritz.de
Name |
Liegeplätze |
Ort |
Infos |
Naturhafen Bolter Kanal |
26 |
Boeker Mühle |
|
Marina Müritz (Hafendorf Müritz) |
300 |
Rechlin |
|
Yachthafen Rechlin |
84 |
Rechlin |
|
Marina Buchholz |
200 |
Buchholz |
|
Stadthafen Röbel |
28 |
Röbel |
|
Regattahafen Röbel |
120 |
Röbel |
|
Bootscenter Müritz (WSC Marina) |
75 |
Röbel |
|
Müritz Marina |
100 |
Sietow/Dorf |
|
Sun-Sailing-Müritz |
240 |
Klink |
|
Stadthafen Waren |
180 |
Waren |
Deutschlands Binnenmeer - ein steckbrief
Name: Müritz, abgeleitet vom slawischen Wort „morcze“ (kleines Meer)
Fläche: 112,6 km² (größer Binnensee Deutschlands)
Länge: 29 km (Nord-Süd-Richtung)
Breite: 13 km (Ost-West-Richtung)
Tiefe: Durchschnitt 6,5 m. maximal 31 m
Höhe des Wasserspiegels: 60,5 m (12. Jahrhundert); 64,35 m (1737); 62,1 m (seit 1836)
Zuflüsse: Elde
Abflüsse: Reeckkanal (Elde), Bolter Kanal, Mirower Kanal
Einfach uterirdisch

Waren. Unterhalb der Müritz befindet sich in etwa 1.500 Metern Tiefe ein unterirdisches „Meer“. Es handelt sich bei diesem „Meer“ um jodhaltige Thermalsole. Die Lagerstätte übertrifft flächenmäßig das Tote Meeres bei Weitem. Die vor rund 210 bis 220 Millionen Jahren in einer Tonschicht versiegelten Solevorkommen scheinen unendlich. In Waren werden sie durch das Kurzentrum bei der Behandlung von Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, Allergien, degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates, bei Neurodermitis und Schuppenflechte oder Erkrankungen der Atemwege genutzt.
Nur eine Insel
Waren. Gab es früher auf der Müritz mehrere Inseln, sorgte Mutter Natur dafür, dass einzig die Burgwallinsel vor Vipperow. Sie war einst ein Stammeszentrum der slawischen
Morizaner. Nach der deutschen Kolonisation behauptete das „terra Vipperowe“ im frühen Mittelalter seine Stellung, wodurch das heutige Dorf mehr Bedeutung besaß als Waren oder Röbel. 1924 und 1954
wurden auf der Insel Grabungen vorgenommen, die neben einen Schatz auch einem eigenständigen Keramiktyp zu Tage förderten, der fortan als der „Viperower Typ“ bezeichnet wurde. 2002 fand man bei
Sonaruntersuchungen einen gut 100 Meter langen künstlichen Damm, der auf eine noch nicht nachgewiesene Brückenverbindung zum Festland schließen lässt.
Mit goldenem Hecht
Einem Ufo gleicht das 2007 eröffnete Informations- und Naturerlebniszentrum Müritzeum, in dem 2012 Teile des Spielfilms „More than fiendship“ gedreht wurden. Das Haus der 1000 Seen, wie es sich auch nennt, vereint ein aus mehreren großen und kleinen Becken bestehendes Süßwasseraquarium mit einer Erlebnisausstellung. Die Ausstellung beruht auf den Sammlungen des Müritz-Museums und der Naturhistorischen Landessammlung Mecklenburg-Vorpommerns, die allein mehr als 275.000 Exponate umfasst. Das Ausstellungskonzept beruht auf einem spielerischen und interaktiven sowie wissenschaftlich fundierten Umgang mit Natur- und Regionalgeschichtsthemen. Mittelpunkt des Müritzeums ist ein 100.000 Liter fassendes Aquarium, in dem auch ein goldener Hecht schwimmt.
Kommentar schreiben