Ach du dickes Ei!
Neubrandenburg. Das „Brohmer Ei“ hinter dem Johanneskloster ist kein schlichter Sandstein-Findling, der zu DDR-Zeiten aufgrund besonderer Form den Weg vor die Fenster des
ehemaligen Stadtbauamtes gefunden hat, wie eine kleine Bronzetafel auf der Krone der Einfriedung verrät. Es ist vielmehr ein vom damaligen Museumsleiter Paul Schumacher „verschlepptes“
Bodendenkmal aus dem Gutspark von Brohm, das noch nicht einmal auf der im Internet zugänglichen Denkmalliste der Viertorestadt auftaucht. Sein Verschwinden vor Jahrzehnten scheint kaum
aufgefallen zu sein, denn der Betreiber des als Star-Camp firmierenden Campingplatzes in Cosa verortet den eiförmigen Felsbrocken noch heute im Internet zusammen mit dem
denkmalgeschützen Gutshaus sowie der Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert als Brohmer Sehenswürdigkeit.
Dass das Brohmer Ei nicht als Denkmal geführt wird, wie eine ebenfalls aus der Gegend entführte Trogmühle, dürfte seine Ursache in der falschen Aufstellung des eiszeitlichen Geschiebes
haben. Entgegen seiner ursprünglichen Lage wurde der Stein in Neubrandenburg mit der flachen Seite nach unten gebettet. Und auf dieser Unterseite befindet sich eine kreisrunde muldenförmige
Vertiefung, die ihm zu einem Schalen- bzw. Schälchenstein macht.
Schälchensteine, ein online zu findendes Megalithstättenverzeichnis nennt in der Umgebung Neubrandenburgs weitere im Wald bei Siedenbollentin, in Friedrichhof, in Ganzkow und in Schönbeck, werden
am häufigsten als Opfersteine bzw. Naturaltäre bezeichnet. Auf ihnen wurden verschiedenen Gottheiten, die mit Fruchtbarkeitskulten in Verbindung standen, in der Bronzezeit Nahrungsmittel, Blumen
oder Räucherpflanzen dargeboten. Dass der Schönbecker Schälchenstein, der aus rohem Granit besteht und auf der Oberfläche 51 runde Vertiefungen besitzt, Bestandteil der Friedhofsmauer ist, könnte
Zufall oder auf bewusste Auseinandersetzung mit überlieferten heidnischen Glaubensvorstellungen oder abergläubischen Praktiken der damaligen Bevölkerung zurückzuführen sein. Beispiele dafür
gibt es u.a. in München, wo ein „Fußabdruck des Teufels“ in der Liebfrauenkirche verarbeitet wurde oder in der Kathedrale von Canterbury in Großbritannien, wo im Kreuzgang mehrere Fußabdrücke in
auf steinernen Bänken auffallen.
Auch das Brohmer Ei besitzt einen solchen Fußabdruck. Aufgrund der Größe von 15 Zentimeter wird er als „Frauenschuh“ angesprochen. Die erklärende Bronzetafel vermutet darin Spuren eine
Bearbeitung im 17. bzw. 18. Jahrhundert. Das Landesamt für Kultur und Denkmalspflege hingegen schloss in einem Schreiben vom 26. November 2002 an den vor drei Jahren verstorbenen Familienforscher
Wilhelm Thedwig von Oertzen eine Bearbeitung des Steines durch Menschen aus, sondern verwies auf Unregelmäßigkeiten im Sandstein. Und wenn das Brohmer Ei aus diesem Material bestehenden sollte
und nicht aus dem sonst üblichen Granit bzw. Gneis, dann wäre auch das denkmalwert. Sedimentgesteine unter Findlingen sind hierzulande nämlich vergleichsweise selten, da der Gesteinsverbund
lockerer ist und sie und beim Transport durch die eiszeitlichen Gletscher viel von ihrer ursprünglichen Größe eingebüßt haben.
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