Der wilde wilde Westen fängt gleich hinter Stralsund an

Warksow. Nicht hinter Hamburg, wie Gruppe „Truck Stop“ singt, „fängt der wilde, wilde Westen an“, sondern unmittelbar hinter Stralsund. Keine zwölf Kilometer trennen zwei Welten, die mit der als UNESCO-Weltkulturwerbe eingestuften Innenstadt und die mit der „Prärie“ von Warksow nicht unterschiedlicher sein könnten. Dabei waren beide Plätze einst enger verbunden als man ahnt und werden es in Zukunft sicher wieder sein.
Bestimmten im Mittelalter die Pfeffersäcke im Rathaus das Schicksal von Klein Warksow, so dürften es in Zukunft Touristen sein. Eine Reihe von Urkunden belegt, dass das Dorf über Jahrhunderte vollständig bzw. teilweise im Besitz einzelner oder mehrerer Stralsunder Bürger bzw. geistiger Stiftungen war. Als das Gut 1734 durch die Kluckschen Erben zum Verkauf ausgeschrieben wurde, griff das St. Jürgens Hospitals zu. Es nahm einen Kredit über 140 Reichstaler zum Ankauf des Hofes auf und erwarb 1830 auch noch Groß Warksow. Mit dem Wüstfallen von Groß Warksow ist nur noch von Warksow die Rede.
Heute ist der Ort – inzwischen ein Einzelhof – wieder in privaten Händen. Die Familie Rewoldt nutzt die alte Gutsanlage sowie das sie umgebende Land für eine landwirtschaftliche Bison- und Hirschzucht. Auf 16 Hektar Weiden tummeln sich in verschiedenen Gehegen Rotwild und eine fast zwei Dutzend Tiere umfassende Bisonherde, die stärkste in Mecklenburg-Vorpommern. Im Mai 2012 waren hierzulande 183 Tiere bei 18 Haltern registriert. In ganz Deutschland gab es rund 1100 Bisons bei 30 Züchtern. Die erste Bisonzucht in Deutschland begann 1971 bei Kaiserslautern.
Die hinter einem sicheren Zaun liegenden zotteligen Kraftpakete scheinen nicht aus der Ruhe zu bringen. Doch die stoische Ruhe, die die 800 bis 900 Kilogramm schweren Tiere ausstrahlen, einzelne Exemplare können gut und gerne bis 1,2 Tonnen schwer werden, täuscht. Züchterin Elfi Rewoldt, ihr Mann und auch der Landwirtschaft studierende Sohn trauen sich nicht ohne schweren Radlader auf die Weide. Die Bisons könnten sich sekundenschnell in Bewegung setzen und Tempo 60 erreichen. Es sind Wildtiere mit einem angeborenen Fluchtreflex, auch wenn auf der Rügener „Prärie“ keine frei geborenen Amerikaner stehen, sondern Mecklenburger und Brandenburger Landeskinder. Alle Tiere sind schon in Deutschland zur Welt gekommen. Zwei haben sogar eine Vergangenheit als Stralsunder Tierparkbisons auf dem Buckel. Die genügsamen Giganten kommen mit jeder Witterung klar. Temperaturen bis minus 30 Grad stecken sie weg.
Der Markt für Bisonprodukte ist riesengroß. Viele der etwa 2000 Mitglieder der deutschen Indianistikszene wünschen sich ein Bisonfell oder einen Schädel für die Wand. Das Fleisch der Wildrinder, das noch weniger Fett als Pute enthält und absolut cholesterinarm ist, findet nicht nur in der Gastronomie immer mehr Anhänger. Gern wird es auch von Allergikern gekauft. In den USA wird Bisonfleisch sogar in Krankenhäusern und Diätkliniken eingesetzt.
Doch nicht nur mit dem Fleisch ihrer sanften Riesen will die Familie Rewoldt in nahe Zukunft ihr Geld verdienen. Schon heute stehen fast täglich Touristen am Eingang zum Weidegehege, um einen Blick auf die tierischen Darsteller vieler Indianerfilme zu werfen. Schritt für Schritt will die Züchterfamilie die Gutsanlage für eine touristische Nutzung herrichten. Dabei soll auch das Gutshaus für Urlaub auf dem Bisongut den Charme des 18. Jahrhunderts zurück erhalten.
www.wildgut-warksow.de

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