Warum musste der Bruder der englischen Königin 67 Jahre in fremder Erde ruhen?

Mirow. Am 6. August 1852 wurde der Mirower Fürstengruft ein Onkel des Großherzogs Georg zur letzten Ruhe gebettet. Es war die zweite Bestattung des Herzogs Georg Augusts zu
Mecklenburg. 1785 war seine Leiche im slowakischen Pezinok zum ersten Mal beerdigt worden.
67 Jahre später holte der Neffe den Verwandten heim. Die Abonnenten der „Neustrelitzer Zeitung“ konnten zwei Tage später in einer kleinen Nachricht von der Beisetzung Notiz nehmen und wurden in
der folgenden Ausgabe mit einer doppelt so großen Meldung darüber aufgeklärt, dass man das Todesjahr des Bestatteten mit 1758 falsch angegeben hätte. Allerdings machte der Redakteur wieder
einen Fehler. Diesmal schrieb er vom verstorbenen Herzog Georg Gustav.
In Neubrandenburg, wurde am Abend des 6. August ein Sommertheater aufgeführt: „Wenn Leute kein Geld haben“.
Heimatforscher Walter Karbe behauptet, Georg August hat sich erschossen. Ließ man den kaiserlich-österreichischen Generalmajor deshalb 67 Jahre im Ausland ruhen? Ein Selbstmörder in die
Fürstengruft?
Wenn Leute kein Geld haben
Georg August drückten gewaltige Schulden. Die Situation führte dazu, dass er 1784 wegen eines drohenden Konkurses in kaiserliche Ungnade fiel. Am 19. Juli 1784 schrieb er darum den Neustrelitzer
Rat Anton Ludwig Seip, dem wohl engsten Vertrauten seines Bruders Adolph Friedrich: „Die Zeichen der Güte und die Verbundenheit, mit denen Sie mich immer wieder bedacht haben, ermutigen mich, Sie
zu bitten, für mich ein Wort beim Herzog einzulegen, damit er mir Unterstützung in meiner Situation gewährt, die unaussprechlich ist. Das Kuvert, das ich dem Herzog geschickt habe, versichert,
dass ich keine Schulden mehr machen werde. Somit können Sie sicher sein, dass mein Verhalten in Zukunft die Richtigkeit von dem beweisen wird, was ich verspochen habe. Ich beschwör euch, mein
Herr, bei allem, was mir am heiligsten ist, mich nicht fallen zu lassen, in dem Moment, in dem ich Gefahr laufe, zur gleichen Zeit meine Ehre, mein Regiment und mein Amt als General zu
verlieren.“
Die engen verwandtschaftlichen Beziehungen und vielleicht auch das Bitten des Rates Seip führten dazu, dass die Brüder eine mühsame Rettungsaktion starteten, allerdings musste sich Georg August
verpflichten, „von nun an weder neue Schulden zu contrahieren [zusammenzufassen] noch in Zukunft jemals wieder um eine Beihilfe unter keinem Vorwand mehr zu ersuchen“.
Zu hoch gepokert
Die Verbindlichkeiten müssen wesentlich höher gewesen sein als die Summen, die kamen, um Georg Augusts Situation völlig zu bereinigen. Schon wenige Wochen nach seinem Bittbrief an Rat Seip war
Georgs August Adjutant, Joseph von Berlichingen, der übrigens auf der Familie des sprichwörtlich gewordenen Ritters stammt, wieder auf Reisen. Diesmal war das Ziel nicht Neustrelitz, sondern
Mannheim. Hier verhandelte er für seinen General über eine Hochzeit mit der „natürlichen Tochter“ des Kurfürsten Carl Theodor von Pfalz-Bayern. Gerade einmal 13 Jahre alt, war die Braut noch ein
Kind. Doch ein unvergleichlich bevorzugtes, reiches und frühreifes. Die Verhandlungen waren schnell und erfolgreich. Berlichingen konnte dabei Prinzen aus den Häusern Modena und Fürstenberg aus
dem Feld schlagen. Als Bruder der englischen Königin stand Georg August in höherem Ansehen. Georg August legte jedoch im Poker nach und wollte, „dass der Kurfürst außer den 750 000 fl
[Gulden] auch noch 130 000 fl Kupfergeld zu Bezahlung meiner Schulden hergibt“. Das war zu viel. Eleonore von Bretzenheim heiratete 1787 Wilhelm Karl Graf zu Leiningen-Guntersblum. Es Überliefert
ist, dass das Mädchen den mehr als doppelt so alten Gatten nicht ausstehen konnte. 1801 wurde die Ehe geschieden. Trotzdem wurden bis dahin 4 Kinder geboren. Allerdings gab es das Gerücht, dass
sie nicht vom Gemahl seien. Selbst in ihrer dekadenten Adelswelt galt Eleonore als unmoralisch.
Mit dem Platzen der Heiratspläne, die Georg August hinter dem Rücken seiner Familie geschmiedet hatte, löste sich auch sein Traum von der Lösung seines Schuldenproblems in Luft auf. Über den
Generalssold war „Arrest gelegt“ und am Todestag, dem 6. November 1785, betrugen die Schulden schon wieder 22.314 Gulden 34 ½ Kreuzer. Die 7340 Einwohner seines Standquartiers Tyrnau, einer Stadt
nahe Bratislava, zahlten etwas mehr als 13 000 Gulden Steuern. Der Generaldirektor des ungarischen Kriegsarchivs, Generalleutnant Dr. Jozef Holló, in dessen Archiv sich ein größerer Aktenbestand
zu Georg August befindet, stimmt Karbe zu, wenn er sagt, dass der Prinz „in den Tod flüchtete“. Georg August wurde auf herzoglichen Wunsch nicht nach Neustrelitz überführt, sondern in der
Gruft der Familie de Silvoy bestattet.
Nachdem einen Tag nach Georg August mit Franz Graf Estterhazy ein weiterer prominenter Freimaurer starb, gab es am 17. November 1785 eine Trauerfeier in der Wiener Loge „Zur Gekrönten
Hoffnung“. Auf der wurde Wolfgang Amadeus Mozarts „Maurische Trauermusik“ (KV 477) aufgeführt. Seitdem wird behauptet, Mozart hätte die Komposition aus diesem Anlass geschaffen. Doch das ist
falsch. Es ist eine Musik aus der Schublade. Wie Mozarts eigenes Werkverzeichnis belegt, waren die 69 Takte, „eine Gebrauchsmusik von allerhöchstem Rang“, im Juli 1785 entstanden und
bereits in einer anderen Loge aufgeführt worden. Musikwissenschaftler gehen jetzt davon aus, dass dieser Anlass die Einführung eines neuen Meisters war, einer Zeremonie zu der auch
Begräbnisrituale gehörten.
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