An die Queen aus Mirow erinnert auch eine königliche Süßspeise

Am gestrigen 20. September wurde im restaurierten Schloss Mirow der Schlösserherbst des Landes Mecklnburg-Vorpommern eröffnet. Neben einem Blick hinter Geheimtüren im Schloss gab es im Café des 3-Königinnen-Palais auch eine Süßspeise, deren Name an die in Mirow geborene englische Königin Charlotte erinnert.

Wie es zu dieser Namensgebung kam und welche Geschichte die Charlotte hat, ist hier nachzulesen.


Portät des französischen Küchenchefs Marie-Antoine Carême
Im Dienst von Queen Charlotte Sohn Georg erfand der französische Küchenchef Marie-Antoine Carême (Foto) die kalte Variante der Charlotte, der er zu Ehren der Mutter seines Arbeitgebers deren Namen gab.

„Ich habe mein Geheimnis gehütet“, schrieb die Königin von Großbritannien und Irland und Kurfürstin von Braunschweig-Lüneburg am 20. Februar 1772 an ihren Bruder Herzog Carl zu Mecklenburg. Die gebürtige Mecklenburg-Strelitzer Prinzessin, die 1744 in Mirow zur Welt kam, hatte 1761 den englischen König Georg III. geheiratet. Sie brachte 15 Kinder zur Welt, mehr als alle anderen Monarchen der britischen Geschichte.

So wie [Sophie] Charlotte es verstand, ein Geheimnis zu hüten – es ging übrigens um einen Bettelbrief ihres in Neustrelitz regierenden Bruders Adolph Friedrich IV., den sie ihrem Gemahl verschwieg – so wahrt auch eine Süßspeise, die mit dem Namen der Queen in Verbindung gebracht wird, ihr Geheimnis.

Charlotte ist die Bezeichnung einer Süßspeise, die es in sowohl in einer warmen, wie auch einer kalten Variante gibt. Ihnen gemeinsam ist die Verwendung von Löffelbiskuits oder Biskuitschnitten, die beim Auslegen der Form eingesetzt werden. Im Originalrezept werden an Stelle von Biskuit Weißbrotscheiben verwendet.

Die warme Spielart der Süßspeise gilt in Großbritannien als Pudding. Für den wurde die Form mit den eingefetteten Brotscheiben ausgelegt. Darauf kamen gekochte Äpfel und darüber weitere Brotscheiben oder Semmelbrösel. Nach dem Backen wurde der Pudding gestürzt und warm serviert. Namenspatin Charlotte soll ihn geliebt haben. Ende des 18. Jahrhunderts tauchte der Name Charlotte in Verbindung mit dem Rezept erstmals in englischen Kochbüchern auf.

Die kalte Variante der Charlotte wird dem französischen Küchenchef Marie-Antoine Carême zugeschrieben. 1784 als 16. Kind eines Steinmetz im Elendsviertel von Paris geboren, war Carême von 1804 bis 1814 der persönliche Chefkonditor des französischen Außenministers Telleyrand. Während der Gourmet dafür gerühmt wurde, seine geschick­ten diplo­ma­ti­schen Manö­ver mit einem super­ben Din­ner zu begleiten, erlangte sein Chefkonditor aufgrund seiner kunstvollen Desserts und kalten Speisen schnell einen internationalen Ruf. 1816 engagierte der britische Prinzregent und spätere König Georg IV. Carême als chef de cui­sine mit dem Auftrag, die englische Küche zu reformieren. Bei einem exzellenten Konditor musste diese Aufgabe allerdings in die sprichwörtliche Hose gehen. Schon nach acht Monaten kehrte Carême nach Frank­reich zurück. Über seien Aufenthalt auf der Insel äußerte er sich enttäuscht. Frustriert war er unter anderem über die Beschränkung seines Kuchenbudgets.

Kurz dar­auf wurde ihm die Ehre zu teil, ein gro­ßes Fest für Frank­reichs Hof­ge­sell­schaft im Lou­vre aus­zu­rich­ten. Carême plante alles bis ins kleinste Detail. Es wurde für 1200 Leute gedeckt. Kano­nen­sal­ven kün­dig­ten die Ankunft Lud­wigs XVIII. und der könig­li­chen Fami­lie an. Und unter all den erle­se­nen Spei­sen befand sich das erste Mal die Köni­gin aller Entrées, wie Carême seine kalte Charlotte beschrieb. 

In dieser klassischen Form, die  Carême für die 71-jährige Mutter des Prinzregenten, Queen Charlotte, entwickelt haben soll, wird die mit Biskuit ausgelegte Form mit einer Masse aus geschlagener Sahne und bayerischer Creme gefüllt. Anschließend wir die Charlotte gekühlt. Wenn sie fest ist, wird sie vor dem Servieren gestürzt.

Als Carême 1817 vom russischen Zaren Alexander nach St. Petersburg berufen wurde, erhielt die kalte Charlotte von ihm den Namen Charlotte Russe.

In Österreich, das weder etwas mit Großbritannien, Frankreich, noch Mecklenburg am Hut hatte, ist die Süßspeise als Malakofftorte bekannt und beliebt.

Die für ihre Kaffehauskultur bekannten Wiener annektierten dafür mehr oder weniger die in Frankreich entwickelte Charlotte Malakoff, eine mit Schokoladenglasur überzogene Variante der kalten Süßspeise. Die Franzosen hatten mit der Kreation ihren Marschall Pélissier gewürdigt, der 1855 die russischen Befestigungsanlagen auf dem Malachow-Hügel vor Sewastopol eroberte und damit eine Wende im Krimkrieg herbeiführte.

Heute gibt es weltweit unzählige Charlotte-Kreationen, teilweise mit Fruchtpüree, Gelee, Speiseeis oder Alkohol, ganz zu schweigen von den verschiedensten eingesetzten Früchten.

Fürstliche Hofküche

Nicht nur die Geschichte der Charlotte ist in dem gemeinsam mit Sternekoch Daniel Schmidtthaler von der Alten Schule Fürstenhagen gemachten Buch zu finden,

Rebhuhn, Hirsch, Möweneier, Hummer, Austern, Périgord-Trüffel, Kaviar oder frischer Spargel im Winter – die Großherzöge von Mecklenburg-Strelitz wussten zu dinieren. Ob mit könig­lichen Gästen wie der britischen Queen Mary, dem deutschen Kaiserpaar oder im Familienkreis, die Hofküche spiegelte auch im strengen Hofprotokoll die Zugehörigkeit des Fürstenhauses zum europä­ischen Hochadel wider. Sie ist zudem Zeugnis für das handwerkliche Können der einheimischen Küchencrews zwischen 1870 und 1918.  Mehr als an die heutige Zeit angepasste Rezepte laden zum Nachkochen ein.

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