35 Jahre die erste Geige am Hof gespielt

Neustrelitzer Hofkapellmeister Förster hinterlässt rund 800 Kompositionen

Alban Förster 1872 als Hofmusikus, aufgenommen von H. Krull Neustrelitz
Alban Förster 1872 als Hofmusikus, aufgenommen von H. Krull Neustrelitz

Neustrelitz. Mit Sicherheit liegen am 18. Januar, seinem Todestag, keine Blumen der Erinnerung auf dem Grab an der Hohenzieritzer Straße. Und wenn jemand welche niederlegen wollte, er hätte Probleme die letzte Ruhestätte zu finden. Es gibt keinen Grabstein.

Keine Straße in Neustrelitz trägt seinen Namen, keine seiner Wohnadressen in der Zierker Straße, der Bahnhofsstraße oder zuletzt in der Friedrich-Wilhelm-Straße besitzt eine Gedenktafel. Und seine Musik wird am Ort seines Wirkens nicht gespielt.

Professor Alban Förster ist aber auch über die Grenzen von Neustrelitz hinaus längst vergessen in Mecklenburg. Schon sein Begräbnis fiel 1916 bescheiden aus. Dabei spielte der 1849 im vogtländischen Reichenbach geborene Musiker und Komponist dreieinhalb Jahrzehnte die erste Geige am Hof der damaligen Residenzstadt. Am 7. Dezember 1871 fand er für neun Jahre eine Anstellung als 1. Violinist der Großherzoglichen Hofkapelle. Nach einem gut einjährigen Engagement als Lehrer am Dresdner Konservatorium, Dirigent und Liedermeister der Dresdner Liedertafel, kehrte er 1882 für 26 Jahre als Hofkapellmeister nach Neustrelitz zurück. Und sicher wäre Alban Förster 1908 nicht „freiwillig in Pension“ gegangen, wie es in seiner Personalakte heißt, hätte nicht Großherzog Adolph Friedrich V. eine Vorliebe für die leichte Muse und besonders deren reizenden Vertreterin Dora Urbas gezeigt. Der Monarch wollte lieber seine Gelebte auf der Bühne sehen. Aus diesem Grund löste der Potentat zu Anfang der Saison 1908/09 das Musiktheater auf, was auch die Arbeitsumstände für den langjährigen Chordirektor (seit 1889) und neuen Hofkapellmeister Friedrich Hauptmann und seine Musiker nicht gerade einfacher machte. Zwar kamen ab 1910 wieder einige Opern auf die Bühne und fanden ab 1912 auch wieder Konzerte statt, doch waren die 12 gespielten Opern durchweg Wiederaufnahmen älterer Inszenierungen und bei den Konzerten hörte man mehr gastierende Solisten. 

Alban Förster, der sich zu Zeiten seiner Pensionierung selbst im Vollbesitz seiner Kräfte sah, erfuhr noch von den Plänen des 1914 auf den Thron gekommenen Großherzogs Adolph Friedrich VI. ein neues Theater zu bauen und eine Musikakademie zu gründen. Doch die Schließung des Hoftheaters am 8. Februar 1917 und das bald darauf erfolgte Erliegen des öffentlichen  Musiklebens musste er nicht mehr erleben. Er schloss zwei Jahre vor dem Selbstmord des jungen Fürsten und der Novemberrevolution, die die großen Pläne für das Neustrelitzer Kulturleben zur Makulatur machten, für immer die Augen.

Alban Förster ist nachdem ihn seine Heimatstadt Reichenbach bereits 2009 wiederentdeckte und mit einer Festveranstaltung seinen 160. Geburtstag feierte, am Ort seines Wirkens in Mecklenburg eine Wiederentdeckung wert. Der Voigtländer in Neustrelitz war nicht nur der einzige Hofkapellmeister mit einem Professorentitel in Mecklenburg-Strelitz. Er gehörte 1876 als Geiger auch zu den acht Neustrelitzer Hofmusikern, die bei den ersten Bayreuther Festspielen mitwirkten und dort den kompletten „Ring der Nibelungen“ aufführten. Von 1882 bis 1908 war er Leiter und Dirigent der 1840 gegründeten und noch heute bestehenden Singakademie Neustrelitz.  Vor allem aber hinterließ er einen bemerkenswerten kompositorischen Nachlass. Dr. Rudolf Rohrmaier, Urologe, sächsischer Bürgerpreisträger und musikbegeisterter Laie spürte fünf Jahre dem Leben und Werk des als Spätromantikers eingestuften Komponisten nach und  fand heraus, dass Alban Förster 514  Sonatinen und Stücke für Klavier, 159 Lieder, 49 Kammermusiken, 41 Orchesterwerke, 32 Chöre, zwei Opern, ein Singspiel und eine Sinfonie geschaffen hat. In einer Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Studie zur Reichenbacher Musikgeschichte stellt der Sanitätsrat Leben und Werk des Neustrelitzer Hofkapellmeister mit vogtländischen Wurzeln ausführlich und sehr detailreich vor, der einen Großteil seiner fast 800 Kompositionen in 53 Verlagen hat drucken lassen. Notenmaterial ist mithin heute  relativ leicht über das Internet in Antiquariaten, deutschen und europäischen Sammlungen bzw. internationalen Bibliotheken zu finden.   

Vielleicht bietet Alban Förster die Chance für eine vierte CD der Neubrandenburger Philharmonie mit Mecklenburger Hofmusik. Auf drei Alben nahm sie sich ja bereits der (Mecklenburg-)Schweriner Hofkomponisten Johann Wilhelm Hertel Hofkapellmeister und Komponisten und Antonio Rosetti sowie des „Kammerkompositeurs“ und Geigers Friedrich Ludwig Benda an. Jetzt könnte sie auch mal einen Neustrelitzer Kapellmeister und Komponisten ausgraben und damit vielleicht einen weiteren Akzent in den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern setzen. Dass Förster würdig wäre, mögen zwei Einschätzungen bestätigen. Der Komponist und Musikschriftsteller Robert Musiol schrieb 1879 in einer Kritik über „Zwei Tanzidyllen für Pianoforte“, dass „beide Stück nicht bloß einem Augenblicksbedürfnis genügen, sondern auch einen nachhaltigeren Eindruck machen […] Wer echte, wirklich reizende Salonwalzer spielen will, der nehme dieses Heft zur Hand; diese Bekanntschaft wird ihn nicht gereuen.“ Und die „Deutsche Musikzeitung“ schrieb bereits ein Jahr zuvor, dass Förster sich „nicht ohne Glück und Berechtigung in die Reihe der Liederkomponisten“ gestellt habe, es allerdings schwer sein in dieser Armee zu avancieren bei Generalfeldmarschällen wie Franz Schubert, Felix Mendelsohn, Robert Schumann oder Franz Liszt. Für die Qualität der Lieder mögen aber auch Autoren wie Professor Franz Brentano, eine Neffe des berühmten Clemens Brentano, oder der (Alt-)Strelitzer Professor Lexikograf, Sprachforscher, Übersetzer und Dichter Daniel Sanders stehen, deren Verse er vertonte.   

Auch international hat Förster Spuren hinterlassen, zumindest eine kleine auf dem Balkan, die heute helfen könnte, Türen im Land der schwarzen Berge zu öffnen.  Anlässlich der Hochzeit der Mecklenburg-Strelitzer Prinzessin Jutta mit dem Erbprinzen Danilo von Montenegro am 27. Juli 1899 komponierte der Neustrelitzer Hofkapellmeister einen auch als Danilo-Marsch in die Musikgeschichte eingegangenen Festmarsch. Außerdem richtete er die vom montenegrinischen Fürstensohn Mirko geschriebene Nationalhymne „Auf unser schönes Montenegro“ für Orchester ein und erhielt als Dank dafür im gleichen Jahr das Ritterkreuz vom Danilo-Orden“.

 

Literaturtipp

Rohrmaier, Rudolf: Hofkapellmeister Alban Förster, Reichenbach 2012, 128 Seiten, 6 €, ISBN 978-3-932626-30-2

Kommentar schreiben

Kommentare: 0